Zürich – Das überraschende Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen in der vergangenen Woche hat dazu geführt, dass sich Anleger weltweit auf ein anderes (als noch vor den Wahlen erwartetes) wirtschaftliches und politisches Umfeld auszurichten versuchen. Obwohl Risikoanlagen allgemein den Schock gut absorbiert haben, wurden Staatsanleihen aggressiv verkauft. Es scheint so, als ob die Anleger versuchen, damit eine Veränderung der Fiskalpolitik und Inflationsentwicklung vorwegzunehmen. Auch die Währungen der Schwellenländer haben deutlich an Wert eingebüsst. Dies war vielleicht eine Reaktion auf die Anti-Handels-Rhetorik des gewählten Kandidaten vor seiner Wahl.
Es entspricht dem Naturell von Anlegern, künftige Entwicklungen vorweg nehmen zu wollen. Allerdings ist es ebenso wichtig, als Anleger vorsichtig zu sein. Alle Präsidenten regierten anders als sie während ihrer Wahlkampagnen angekündigt hatten. Eine Trump-Präsidentschaft bringt jedoch noch mehr Unsicherheiten mit sich als üblich, berücksichtigt man seinen nicht-traditionellen Ansatz Politik zu betreiben.
Es gibt vier zentrale Entscheidungen, die das wirtschaftliche Erbe von Trump im In- und Ausland bestimmen werden. Die erste Entscheidung ist, ob er den Kongress dazu bringt, eine aggressive Lockerung der Fiskalpolitik vorzunehmen. Dies in einem Wirtschaftsumfeld, in dem die Arbeitslosigkeit niedrig ist und in dem sich Wachstum und Inflation in einem Aufwärtstrend befinden. Entscheidet er sich dafür, besteht das Risiko, dass sich die Inflation schnell und stark erhöht, was die amerikanische Notenbank zu einer Reaktion zwingen würde.
Die zweite Entscheidung ist, wie viel von Obamas innenpolitischem Erbe der neue Präsident demontieren wird. Der Affordable Care Act, der Clean Energy Plan und das Dodd-Frank-Gesetz könnten alle mit Hilfe des republikanischen Kongresses kastriert werden. Die regulatorische Landschaft würde sich damit erheblich verändern. Die dritte ist, ob er eine merkantilistische Handelspolitik verfolgt. Versprechungen während einer Kampagne, bestehende Handelsverträge zu zerreissen oder die Zölle auf die Importe der grössten Handelspartner eines Landes zu erhöhen, sind das Eine. Es ist dann aber etwas ganz Anderes, die ökonomische und finanzielle Zerstörung auch durchzuziehen, die eine solche Politik verursachen würde. Viertens muss Trump entscheiden, wie er seinen Wunsch in die Tat umsetzen wird, die Polizisten-Rolle Amerikas bei der Bewältigung geopolitischer Probleme rund um die russischen Grenzländer, das südchinesischen Meer und im Nahen Osten zu reduzieren.
Der Weg des geringsten Widerstands wäre es, bescheidene Steuersenkungen und Infrastrukturerhöhungen vorrangig zu behandeln, einen pragmatischen Ansatz bei den innerstaatlichen Regulierungsreformen zu verfolgen, sich damit zu begnügen, keine neuen Handelsabkommen auszuhandeln, aber bestehende zu überarbeiten und einen Mittelweg in der Aussenpolitik zu finden. Es hängt viel davon ab, ob Donald Trump diesen Weg nimmt oder einen revolutionäreren Ansatz wählt, um zu regieren. (SLI/mc)