Rob Drijkoningen, Global Head of Emerging Markets Debt, ING IM.
Frankfurt am Main – Executive Summary von Rob Drijkoningen, Global Head of Emerging Markets Debt, ING IM.
Die Schwellenländer entwickeln sich hochdynamisch und so auch ihre Kapitalmärkte. Seit mit dem Brady-Plan in den 1990er Jahren ein liquides Anlageuniversum für Emerging-Markets-Schulden entstand, haben sich weitere Spielarten von Emerging-Markets-Debt (EMD) herausgebildet. Das Engagement in diesem Bereich erfolgt zwar in der Regel nach einem opportunistischen Ansatz, doch zunehmende Grösse, Liquidität und Tiefe haben auch das Interesse an den drei anderen Unterformen beflügelt: EM Corporates, EM Local Currency Short Duration und EM Local Currency Long Duration.
Möglich wurde dies durch Rahmenbedingungen, die den Schwellenländern auch den „Anschluss“ an die entwickelte Welt verschafft haben. In den Jahrzehnten vor 1990 überschatteten dagegen oftmals Boom-Bust-Zyklen und ungeschicktes Makromanagement das vorhandene Potenzial. So um das Jahr 2000 übertraf das Realwachstum der Wirtschaftsleistung in den Schwellenländern erstmals das der entwickelten Welt. Das lag u.a. auch daran, dass die vorangegangenen Finanzkrisen in Asien und Russland zu einem deutlichen Anstieg der haushalts- und geldpolitischen Disziplin geführt hatten. Mit den Schuldenquoten verbesserte sich auch ganz allgemein das Geschäftsklima.
Das raschere Wachstum der Schwellenländer lässt sich durch langfristige globale Konvergenztrends erklären. Der Aufhol- bzw. Konvergenzprozess der Schwellenländer gegenüber den entwickelten Ländern beruht sowohl auf endogenen (Produktivitätswachstum) als auch exogenen Faktoren (Globalisierung und Abbau von Handelsbarrieren). Dabei werden die Konvergenzeffekte durch eine glaubwürdige Volkswirtschaftspolitik sowie einen rechtsstaatlichen Rahmen verstärkt.
Jetzt ist es an den entwickelten Märkten, die Investoren von ihrer Attraktivität zu überzeugen. Die weltweite Kreditkrise war insofern ein Augenöffner: Während die Schwellenländer weitgehend ungeschoren davonkamen, wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis alle Industrieländer die haushaltspolitischen Konsequenzen bewältigt haben. Auch die anhaltende Schuldenkrise in der Eurozone belastet die Schwellenländer nicht im gleichen Maße wie die entwickelten Staaten.
Die Kapitalmärkte sind für die wirtschaftliche Weiterentwicklung eines Landes von entscheidender Bedeutung. Für Emittenten, ob Staat oder Unternehmen, bedeuten Lokalwährungsmärkte grössere Unabhängigkeit von der Finanzierung an den internationalen Märkten. Aus Anlegersicht spielen Anlagemöglichkeiten auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle für das sogenannte „Liability Driven Investing“, also eine an den Verbindlichkeiten von Banken, Rentenfonds und Versicherungsgesellschaften orientierte Anlagestrategie. Da sich die Zinskurven der Kapitalmärkte über das gesamte Zins- und Laufzeitspektrum erstrecken, richtet sich auch die Preisgestaltung bei anderen Kreditinstrumenten danach.
Aus den verschiedensten Gründen – Präferenz für die Heimatmärkte, mangelnde Kenntnis im Hinblick auf das Angebot an EMD-Titeln und -Assetklassen, Mangel an geeigneten Investmentprozessen – scheuen internationale Investoren immer noch vor Emerging-Markets-Anleihen zurück. Die Konvergenz zwischen Emerging Markets und entwickelten Märkten mag in puncto Wirtschaftsentwicklung und Wohlstand noch Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Die strategische Allokation in Emerging Markets dürfte jedoch strukturbedingt zunehmen, vor allem solange vielfältige Alpha-Chancen bestehen.
Derzeit lauten 84 Prozent (47 Prozent Staats- und 37 Prozent Unternehmensanleihen) aller sich im Umlauf befindlicher EM-Schuldtitel auf Lokalwährung. Die übrigen 16 Prozent entfallen auf ausländische Staatsanleihen (6 Prozent) sowie ausländische Unternehmensanleihen (10 Prozent).
JP Morgan ist der führende Indexanbieter für die EM-Anleihemärkte. Mit 53 Prozent entfällt der Löwenanteil noch auf HC-Staatsanleihen, doch LC Longer Duration (GBI-EM) and HC Corporate Debt (CEMBI) gewinnen rasch an Boden. Renditen und Renditespannen sind im Vergleich zu ihren Pendants von den entwickelten Märkte überwiegend günstig.
Bei Hartwährungsanleihen, also ausländischen Staats- und Unternehmensanleihen, übernimmt der Anleger zusätzlich zum US-Treasury-Risiko ein „reines“ Kredit- bzw. Spreadrisiko. Bei Lokalwährungsanleihen ist der Anleger hingegen Währungs- und lokalen Zinsrisiken ausgesetzt. Das EM-Währungsrisiko hat sich als zuverlässige und dauerhafte Diversifikationsquelle erwiesen. Alle EMD-Kategorien zeichnen sich im Hinblick auf Länder-, Rating- und regionale Kategorien durch ein hohes Mass an Diversifikation aus. Die Liquidität ist bei HC-Staatsanleihen und Lokalwährungsanleihen mit kurzer Duration am höchsten.
Im Rahmen eines fundamentalen Ansatzes bei der strategischen Asset-Allokation böte sich für ein globales Fixed-Income-Portfolio eine 30%ige Gewichtung von EMD an. Der Anteil der Schwellenländer an der nominalen Weltwirtschaftsleistung beträgt bereits über 35 Prozent. Die Allokationen aller sich im Umlauf befindlichen EM-Anleihen handelbarer europäischer Indizes deuten hingegen auf einen Wert von nur 6,1 Prozent hin. Damit werden die Emerging Markets trotz ihrer Schuldendisziplin abgestraft. Zugleich werden BIP-Zuwächse und für die Emerging Markets tendenziell günstige Kapitalmarkttrends ignoriert.
Die Analyse von INGs strategischer Asset-Allokation ergibt ein hohes Exposure gegenüber Lokalwährungen. Diese Allokation beruht auf einem zukunftsorientierten Risikoprämienmodell, das seinerseits die in der Vergangenheit beobachteten Trends und unsere Erwartungen an die weitere Entwicklung miteinander kombiniert. Eine niedrigere Risikotoleranz legt eine Allokation in Lokalwährungen (kurze Duration) und HC-Staatsanleihen nahe. Bei einer höheren Risikotoleranz empfiehlt sich dagegen eine höhere Allokation in HC-Unternehmensanleihen und Lokalwährungen (lange Duration).
Momentan setzt sich ING IMs strategische Gewichtung der vier Untersegmente folgendermaßen zusammen: 35 Prozent Lokalwährung (lange Duration), 25 Prozent Lokalwährung (kurze Duration), 25 Prozent HC-Staatsanleihen und 15 Prozent HC-Unternehmensanleihen. Bei dieser Allokation besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Liquidität, Marktentwicklung und Rendite-Risiko-Aussichten. In Backtests weist dieses Musterportfolio attraktive historische Risiko-Ertrags-Merkmale auf.
Ferner sind wir der Überzeugung, dass die taktische Asset-Allokation (TAA) in diese Untersegmente attraktive Renditesteigerungen generiert. Dabei erfassen wir durch unsere Research- und Analysetätigkeit günstige Gelegenheiten im Zuge vorübergehender Marktverwerfungen. Seit jeher beobachten wir erhebliche Performance-Unterschiede zwischen den verschiedenen Sub-Assetklassen. Entsprechend haben wir systematische, fundamentale und idiosynkratische Risikotreiber identifiziert und ein Verfahren konzipiert, das die sich bietenden Chancen verfolgt, interpretiert und nutzt.
Die Erkenntnisse des gesamten EMD-Teams sind von entscheidender Bedeutung, um Tiefe und Aktualität unserer taktischen Entscheidungen sicherzustellen. Zugleich steuern zwei Portfoliomanager die Top-down-Prozesse im Hinblick auf den relativen Wert. (ING IM/mc/pg)