Merkel mahnt schärfere Finanzmarktregulierung an
Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Davos – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mehr Anstrengungen bei der Kontrolle der Finanzbranche angemahnt und vor neuen Turbulenzen gewarnt. «Ich sehe (…) noch eine riesige Lücke, was die Regulierung der Finanzmärkte anbelangt», sagte Merkel am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.
«Noch so eine Blase, die wir erzeugen und damit die Welt wieder in eine tiefe Krise des Wirtschaftswachstums bringen, wird sehr schwer zu bewältigen sein in Demokratien», sagte Merkel. Die Bürger verlören die Überzeugung, dass die Wirtschaft für den Menschen da sei. Auf Forderungen des britischen Premiers David Cameron nach EU-Vertragsänderungen ging Merkel nicht ein.
Treffen mit Cameron
Einen Tag nach Camerons Ankündigung eines britischen Referendums über den Verbleib in der EU traf Merkel in Davos auch mit dem Premier zusammen. In Delegationskreisen hiess es, es sei dabei um die Vorbereitung des EU-Haushaltsgipfels gegangen, bei dem im Februar erneut das umstrittene EU-Budget für die Jahre 2014-2020 erörtert werden soll. Der Haushaltsplan war bei einem Gipfel im November unter anderem am Widerstand Grossbritanniens gescheitert.
Regulierung der Schattenbanken
Die Kanzlerin verwies vor den Spitzen aus Politik und Wirtschaft auf die Vereinbarung der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) im Krisenjahr 2009, wonach jeder Finanzplatz, jeder Finanzmarktakteur und jedes Finanzprodukt reguliert werden müsse: «Wir sind heute weit davon entfernt.» Die Regulierung der Schattenbanken müsse beim G20-Gipfel in Russland (September) eine zentrale Rolle spielen. Merkel mahnte zugleich die USA, bei der Einführung schärferer Eigenkapitalregeln für Banken («Basel III») mitzuziehen: «Denn ansonsten haben wir wieder eine globale Regelung, die nicht von allen umgesetzt wird.»
Warnung vor neuer Instabilität in Europa
Angesichts massiver Arbeitslosigkeit in vielen EU-Staaten warnte Merkel vor neuer Instabilität in Europa. Gegebenenfalls müssten weitere Überbrückungsmassnahmen ergriffen werden, bis die eingeleiteten Strukturreformen so wirkten, dass die Zahl der Arbeitslosen verringert werde. Europa müsse aufpassen, «dass die politische Situation nicht so eskaliert, dass wieder Instabilität entsteht.» Und: «Wir müssen heute Strukturmassnahmen durchführen, damit wir morgen besser leben können.»
Die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist nach Merkels Worten das zentrale Thema für die Zukunft. Nur so könnte der Wohlstand gehalten und weiter entwickelt werden. Mit Blick auf die Debatte über Ungleichgewichte zwischen den Wirtschaftsregionen wies Merkel Kritik an den Überschüssen Deutschlands zurück. Viele Staaten werfen Deutschland vor, sich mit seiner Exportstärke auf Kosten anderer Länder zu sanieren und die Binnennachfrage zu vernachlässigen. «Im Augenblick ist unser deutsches Wachstum nahezu ausschliesslich binnengetrieben», sagte Merkel dazu. Deutschland habe alles getan, um den Binnenkonsum zu erhöhen.
Schauen, woher Ungleichgewichte kommen
Man müsse immer schauen, woher Ungleichgewichte kämen, betonte Merkel. Überschüsse in den Leistungsbilanzen seien zum Teil auch Ausdruck einer guten Wettbewerbsfähigkeit. «Und die dürfen wir auf gar keinen Fall aufs Spiel setzen.» Würden sich die Lohnstückkosten in Europa in der Mitte treffen, wäre ganz Europa nicht mehr wettbewerbsfähig, und Deutschland könnte nicht mehr exportieren. «Das kann nicht das Ziel unserer Bemühungen sein.» (awp/mc/upd/ps