Chicago – Angesichts zunehmender Spannungen in dem von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochenen Zollstreit öffnet die Notenbank Fed die Tür für eine Zinssenkung. Fed-Chef Jerome Powell kündigte am Dienstag eine «angemessene Reaktion» auf Auswirkungen des Handelsstreits an.
Die Fed beobachte die Entwicklungen genau, sagte er auf einer Notenbank-Konferenz in Chicago: «Wir wissen nicht wie oder wann diese Angelegenheiten gelöst werden.» An den Märkten wird mittlerweile fest damit gerechnet, dass die Notenbank spätestens im Dezember, womöglich aber bereits im Sommer die Zinsen senkt.
Der Leitzins liegt derzeit in einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent. Die US-Währungshüter hatten ihn 2018 wegen der guten Konjunktur mehrfach angehoben und wollten dies eigentlich auch 2019 tun. Angesichts des Handelsstreits und der schwächeren Weltwirtschaft schwenkten sie dann aber um und drückten die Pausetaste.
Vor diesem Hintergrund lässt die kurze Erklärung des Fed-Präsidenten aufhorchen, da er bislang gebräuchliche Schlüsselwörter für den Zinskurs wegliess. So hatten die Währungshüter sich zuletzt auf die Formulierung festgelegt, dass sie es bei den Zinsen «geduldig» angehen lassen wollen.
Zölle gegen Mexiko
Der Währungshüter James Bullard aus St. Louis hatte bereits zu Wochenbeginn Zinssenkungsfantasien an den Märkten verstärkt: Wegen der steigenden Risiken für das US-Wirtschaftswachstum könnte eine Zinssenkung «bald» erforderlich sein. Er ging dabei konkret auf die jüngsten Zolldrohungen Trumps gegen Mexiko ein. Solche Ankündigungen erzeugten «ein Umfeld erhöhter Unsicherheit», das Rückwirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsstärke der USA haben könne.
Trump hatte am Donnerstag Importzölle auf mexikanische Waren angekündigt, um das südliche Nachbarland zu Massnahmen gegen illegale Migration zu zwingen. Er bekräftigte am Dienstag, dass diese trotz diplomatischer Bemühungen wohl nächste Woche in Kraft treten würden.
Ab 10. Juni bis Oktober sollen die Aufschläge in Fünf-Prozent-Stufen auf bis zu 25 Prozent steigen, wenn Mexiko nicht entsprechend reagiere. Zugleich schwelt auch der Zollstreit zwischen den USA und dem asiatischen Handelsrivalen China weiter: Die Führung in Peking veröffentlichte eine Reisewarnung. Chinesische Bürger und Firmen sollten sich vor Schikanen durch US-Behörden in Acht nehmen.
Hoffnung auf G20-Gipfel
Zuletzt hatte sich schon der Handelsstreit weiter zugespitzt. Trump warf China vor, sich nicht an frühere Zusagen zu halten, und verhängte eine neue Runde von Strafzöllen. Die Führung in Peking reagierte mit ähnlichen Schritten. Angesichts der aktuellen Verschärfung wächst die Unsicherheit, ob sich Trump und Chinas Präsident Xi Jinping beim Gipfel der 20 grössten Industrie- und Schwellenländer (G20) in diesem Monat in Japan zu Gesprächen treffen werden.
Der Chef des Fed-Bezirks Chicago, Charles Evans, sagte dem Sender CNBC, falls sich vor dem Hintergrund des Zollkonflikts und der gedämpften Inflation eine Konjunkturabschwächung ergeben sollte, müssten sich die Währungshüter zwar fragen, ob sie der Wirtschaft im Wege stünden. «Doch das sehe ich derzeit nicht», fügte er hinzu und dämpfte damit Zinssenkungsfantasien etwas. (awp/mc/ps)