Wenn Finanzmärkte Sozialleistungen finanzieren

Wenn Finanzmärkte Sozialleistungen finanzieren

Stuttgart – Social Impact Bonds (Sozialer Wirkungskredit) zur Finanzierung staatlicher Sozialleistungen durch private Geldgeber erleben in vielen Ländern eine steile Karriere. Dass diese in Ländern wie den USA, Grossbritannien oder Israel zunehmend beliebter werdende Anlage- und Finanzierungsform manche Überraschungen in sich trägt, hat die Forschung eines Teams um Prof. Dr. Henry Schäfer von der Universität Stuttgart zu Tage gefördert.

Die Integration von Migranten, die Qualifizierung von Kindern mit Lernschwächen oder die Resozialisierung wiederholt straffällig gewordener Jugendlicher sind Beispiele von immer neuen gesellschaftlichen Herausforderungen. In vielen Ländern fehlen hierzu «staatliche Auffangnetze». Aber auch in Deutschland, einem der letzten verbliebenen Sozialstaaten in der Welt, tut man sich immer schwerer, hier die passenden Leistungen anzubieten. Kreativität und Innovation werden in diesem System aber kaum finanziert. Hier soll der Social Impact Bond Abhilfe schaffen.

Kurz gesagt, zahlt der staatliche Träger von Sozialmassnahmen an private Geldgeber das von ihnen überlassene Kapital nebst einer Zinsen, sofern ein bestimmter vorher festgelegter Mindesterfolg nachgewiesen wird. Wird das Ziel nicht erreicht, müssen die Anleger mit Ertragseinbussen rechnen oder völlig auf eine Rendite verzichten. Das Prinzip soll die Effizienz der Umsetzung von Sozialleistungen erhöhen und zu innovativen Leistungsangeboten anregen.

Komplexe Vertragsgebilde
«Social Impact Bonds haben mit einer herkömmlichen Anleihe wie beispielsweise einer Bundesanleihe nichts gemeinsam. Es handelt sich vielmehr um eine öffentlich-private Partnerschaft und ist für Anleger nicht auf den ersten Blick zu durchschauen», erklärt Prof. Dr. Henry Schäfer. Es handelt sich um sehr komplexe Vertragsgebilde mit vielen darin eingebundenen Parteien, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Chancen und Risiken von Social Impact Bonds haben darüber hinaus hohe Ähnlichkeiten mit Derivaten, vor allem Optionen.

Enge Verwandtschaft zu Digitaloptionen
Zu diesem Schluss kommt der Forschungsbericht «Social Impact Bonds – Vertrags- und Transaktionsstrukturen sowie eingebettete Optionen» eines Forschungsteams um Prof. Dr. Henry Schäfer. Es wurden 14 in den USA und Grossbritannien eingeführte Social Impact Bonds unter den «wissenschaftlichen Röntgenschirm» gelegt. Ans Tageslicht gefördert wurden vielversprechende neue, unterschiedliche Ansätze um vor allem die Wirksamkeit von Sozialleistungen bei den adressierten Zielgruppen zu erhöhen. Trotz aller Vielfalt gelang es, zwei Obergruppen von Social Impact Bonds auszumachen, worunter verschiedene am Finanzmarkt vorfindbare Bonds eingeordnet werden konnten. Im nächsten Schritt wurde erhoben, auf welche Chancen und Risiken sich Anleger beim Erwerb solcher Bonds einlassen.

Die Analyse förderte etliche versteckte Eigenschaften zu Tage, die exotischen Derivaten aus dem Optionsbereich ähneln. Vor allem wurden Strukturen entdeckt, die auf eine enge Verwandtschaft von Social Impact Bonds zu sogenannten Digitaloptionen schliessen lassen. Bei solchen Optionen gewinnt der Anleger entweder einen bestimmten Geldbetrag oder verliert seinen Einsatz (zumindest teilweise). Ferner wurde deutlich, dass Social Impact Bonds ganz spezielle Risikoanfälligkeiten haben, wenn die unter dem Dach des Bonds arbeitenden Partner wie die öffentliche Hand einzelne Sozialdienstleister, Datenmanager etc. nicht optimal miteinander zusammenarbeiten.

«Insgesamt sind solche Anlagen nur etwas für professionelle Anleger, die sich zudem ein «Quäntchen Verlust» leisten können, wenn die Risiken über Hand nehmen und nachteilige finanzielle Konsequenzen für den Anleger haben», so Schäfer. Die Analysen zeigen auch, dass man dem Phänomen Social Impact Bond aus Anlegersicht noch genauer auf die Spur kommen muss, um seine wahre Gestalt als Anlageform offen zu legen und letztendlich auch seinen wahren wirtschaftlichen Wert zu ermitteln – denn auf einer Börse werden solche Anlagen bisher nicht gehandelt. (Universität Stuttgart/mc/pg)

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