Von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Viele Emittenten setzen auf die zunehmende Digitalisierung im Vertrieb von Strukturierten Produkten. Das verhilft Anlegern zu vielfältigen Möglichkeiten, Finanzprodukte selbst zu gestalten. Im Hintergrund läuft unterdessen ein zunehmender Wettbewerb um die beste Plattform. Wer derzeit mit welchem Angebot aufwartet.
Es hat vor ein paar Jahren als kleines Gerangel um die beste technische Unterstützung beim Derivate-Sales begonnen. Mehr und mehr entwickelt sich ein Wettrüsten unter den Structuring-Plattformen und der Wettlauf gewinnt stetig an Dynamik. Inzwischen ist das Streben nach der perfekten Plattform integraler Bestandteil der Geschäftspläne bei fast allen in der Schweiz tätigen Emittenten und omnipräsenter Wunschtraum bei denen, die noch keine funktionstüchtige Structuring-Plattform haben. In der Vergangenheit lief ein Grossteil des Verkaufsprozesses von Strukturierten Produkten ganz klassisch via Telefon und E-Mail.
Plattformen sind ein smarter Vertriebshebel
Heute wird der Investor selbst in die Lage versetzt, seine ganz persönlichen Anlagewünsche am Computer einzugeben und binnen kurzer Zeit sein Produkt bepreist am Bildschirm zu sehen. Taugen dem Anleger die angezeigten Konditionen, kann er direkt abschliessen – wenige Tage später ist das Wertpapier im Depot des Kunden verbucht. Dank der Skalierbarkeit und strikter Prozess-Standardisierung (STP) gilt es, die Umsätze auf einer Plattform durch qualifizierte Anleger, sprich Vermögensverwalter und institutionelle Profis, steil und stetig zu steigern. Ähnlich einer einmal für viel Geld installierten Tankstelle gilt es danach die Frequentierung so hoch wie möglich zu halten. Von diesem Gedanken geleitet ist auch Natixis, der Investment-Banking-Arm der französischen Bankengruppe BPCE. Der Emittent hat sich durch die vollautomatische Anbindung seiner Inhouse-Plattform an die unabhängige Multi-Issuer-Plattform derivative.com direkten Zugang zum Schweizer Derivatmarkt gesichert. Cyril Parmentier, Head of Cross Asset Structured Product Distribution bei Natixis, sieht so eine perfekte Verbindung in neue Märkte und raschen Zugang zu neuen Kundengruppen (siehe auch Interview).
Digitalisierung auch im RBS-Poker entscheidend
Der Vertrieb von Strukturierten Produkten steht inzwischen vor einer entscheidenden Schwelle hin zur Digitalisierung. Wer heute im Markt keine Plattform mit guter Technik besitzt, die permanent Orderflow produziert, tut sich morgen schwer, Marktanteile zu verteidigen. Ein Aspekt, der auch beim heiss diskutierten RBS-Deal eine Rolle spielt. Die Royal Bank of Scotland (RBS) hatte im Juni 2013 überraschend den Verkauf des Strukturierte-Produkte-Geschäfts bekannt gegeben. Kronjuwel ist die technische Plattform der RBS. Wie bereits berichtet (payoff magazine 10/13), ist man inzwischen mit der französischen Grossbank BNP Paribas weitestgehend handelseinig. Die Akquisition verhilft dazu, einen grossen Schritt bei der Digitalisierung der Vertriebsstrategie nach vorne zu machen – vorausgesetzt, das Struki-Geschäft der RBS bleibt unter BNP-Ägide vollständig am Leben. Dort hat man bereits einige Erfahrung mit Übernahmen von Derivateportfolios. So wurden jüngst rund 1‘000 Aktienderivate-Positionen der Credit Agricole im Volumen von EUR 12,5 Mrd. durch die BNP Paribas übernommen – allerdings mit dem Ziel, all diese Positionen auf null abzubauen. «Bis jetzt gab es keine besorgten Kundenfragen zur Zukunft unserer Produkte», hört man von der RBS. Das Pokerspiel geht diese Tage in die finale Runde. Wer die Plattform kriegt scheint klar, offen ist der Preis und die künftige Strategie.
SocGen setzt auf «alpha»…
Die erste Runde beim Thema Plattformen hat man unterdessen bei der Société Générale (SocGen) erfolgreich hinter sich gelassen. Seit Kurzem wird «alpha», die Multi-Asset Plattform der SocGen, u.a. in der Schweiz öffentlichkeitswirksam beworben. «alpha» ist ein globales Angebot und für Kunden aus Europa, Nordamerika sowie Asien zugänglich. Neben Strukis können auf der Plattform auch Aktienindizes, Futures & Options, Devisen sowie Edel- und Industriemetall-Derivate gehandelt werden. Die Technik existiert bereits seit 2010, jetzt möchte man die Kapazitäten auf der Nutzerseite drastisch erhöhen.
… Credit Suisse auf «mySolutions»
Im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnet ist seit Kurzem die Multi-Asset-Plattform «my Solutions» der Credit Suisse (CS). «Unsere früher noch als ‚Spirit‘ bekannte Plattform wurde massgeblich überarbeitet und hat jetzt an den Banking Technology Awards den 1. Preis in der Kategorie „Best Internet Banking Service“ gewonnen», freut sich Daniel Sandmeier, Head Structured Products Marketing, stellvertretend für das Team der CS. Anleger können sich aus rund 340 Basiswerten und verschiedensten Handelswährungen ihr eigenes Produkt strukturieren. Mit Blick auf das neue Jahr möchte man weitere Kunden vom Angebot überzeugen. «Wir legen grossen Wert auf einfache, intuitive Bedienung. Parallel schätzen unsere Kunden Features wie die Price Heatmap und das Life-Cycle-Management ihrer Produkttransaktionen», erklärt Sandmeier. Derzeit wird bereits ein «substanzieller Anteil» der gesamten Produktumsätze via mySolutions konstruiert und erfasst. Tendenz steigend.
Derivativer Werkzeugkasten bei Julius Bär
Mit 25‘000 allein in diesem Jahr gehandelten Transaktionen gehört die «Derivative Toolbox» der Bank Julius Bär zu den führenden Multi-Asset-Plattformen. «Unser System ist seit einem Jahr für externe Kunden geöffnet und erfreut sich wachsender Akzeptanz. Wir erhalten viel positiven Zuspruch», zeigt sich Willi Bucher, Head Sales and Structuring Structured Products bei Julius Bär, zufrieden. Auch das Geschäftsjahr im Bereich Strukturierte Produkte generell verlief gut. «Wir sind zufrieden, obgleich die Bücher für das Jahr 2013 noch nicht geschlossen sind. Wir sehen bereits vermehrte Aktivitäten durch die Integration des International Wealth Management-Geschäftes von ML/Bank of America», so Bucher. Beim Blick in die nahe Zukunft bleibt der Fokus auf der Plattform: «Wir werden die Funktionalitäten noch erweiteren und setzen zusätzliche Basiswerte und weitere Produkttypen in der ‚Derivative Toolbox‘ auf», gibt der Derivatveteran einen Ausblick. Im Hause Julius Bär wird zurzeit – ähnlich wie bei der Credit Suisse – ein «substanzieller Teil» der Emissionen via Plattform von den entsprechend akkreditieren Anlegern selbst strukturiert.
ZKB rollt Multi-Asset-Plattform aus
Ebenfalls das Thema Multi-Asset hat die Zürcher Kantonalbank (ZKB) für sich entdeckt. Seit dem Frühjahr wurde «eTrading Pro» für externe Kunden geöffnet. Ab der 49. Kalenderwoche können als Basiswert für Strukturierte Produkte dort auch die Edelmetall-ETFs der ZKB verwendet werden. Darüber hinaus bietet die ZKB als Novum registrierten Vermögensverwaltern bzw. Brokern an, Zeichnungsprodukte via «eTrading Pro» zu offerieren. «Wir sehen grosses Interesse an unserer Multi-Asset-Plattform, über welche bereits 20% der Umsätze laufen. Insbesondere die Zeichnungsfunktion ist ein Alleinstellungsmerkmal, das für kleinere Anlageverwalter oder Produkt-Initiatoren sehr attraktiv ist», erklärt Katharina Thölén, Sales Strukturierte Produkte bei der ZKB. «Bei den strukturierten Produktlösungen im Wholesale-Bereich konnten wir einen grossen Versicherungskonzern an Bord nehmen. Für diesen werden wir langfristig Kapitalschutzprodukte mit Referenzschuldner als Produktpartner anbieten», ergänzt Hans-Georg Vetter, Leiter Produktvertrieb der Zürcher Kantonalbank. Zusätzlich wird noch im Dezember die Governance der eigenen Indexplattform durch das Einführen eines unabhängigen Rollenmodells auf den bestmöglichen Stand verbessert. «Gemäss unserem Versprechen nach mehr Transparenz gehen wir nach der Offenlegung der Produktkosten, dem TER, konsequent weiter. Wir werden die Vorschläge der IOSCO zu Indextransparenz und Objektivität zeitnah umsetzen», so Vetter.
UBS investiert in hohe Effizienz
Eine Referenzgrösse in der Welt der Structuring-Plattformen ist der «UBS Investor»: Mit rund 50’000 allein in Europa pro Jahr abgewickelten Aktienstrukturen und rund 145’000 FX-Strukturen ist die Plattform der UBS einer der Leader. «Unsere Kunden wissen natürlich die Vorzüge von UBS Investor zu schätzen, insbesondere die tiefen Anlagebeträge ab CHF 10’000 und das grosse Basiswertuniversum samt breiter Währungsabdeckung sind aus unserer Sicht ein grosser Wettbewerbsvorteil», erklärt Patrick Stettler, Head Public Distribution Schweiz. In den letzten Monaten konnten einige Vermögensverwalter als neue Nutzer gewonnen werden. Trotz guter Geschäfte in 2013 bleibt man mit Prognosen für das neue Jahr zurückhaltend. Mit Fokus auf die UBS-Plattform gilt es in nächster Zeit auch noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen: «Wir schenken der Automatisierung und der Stabilität von betrieblichen Abläufen grosse Aufmerksamkeit», stellt Patrick Stettler klar. Zur weiteren Effizienzsteigerung sollen daher die beiden Segmente FX Investor und Equity Investor zusammengeführt werden. Damit soll die Fitness im Plattform-Wettbewerb bewahrt werden.
Vontobel bringt neue Emittenten auf deritrade
Mit neuer räumlicher Perspektive ist seit Mitte November das Struki-Team von Vontobel am Bleicherweg 21 gestartet. «Unterbrechungsfrei und mit vollem Elan setzen wir unsere Arbeit fort», kommentiert Eric Blattmann, Head of Public Distribution, den Umzug in die brandneuen Büros. «Gesamthaft sind wir mit dem Derivatgeschäft zufrieden» so Blattmann. «Parallel machen wir erfreuliche Fortschritte mit unserer Multi-Issuer-Plattform deritrade», ergänzt Vincenzo Zinna, Business Manager «deritrade» bei der Bank Vontobel. «deritrade» ist die erste Banken-Plattform, auf welcher der Anleger nicht nur Quotierungen von Vontobel selbst, sondern auch von Société Générale und Morgan Stanley erhält. Weitere Emittenten werden in absehbarer Zeit aufgeschaltet. Konkrete Namen hört man noch keine. «Ein erheblicher Vorteil ist unter anderem die vollautomatisierte Abwicklung und Pflege während des gesamten Lebenszyklus’ des Produktes. Erhöhte regulatorische Anforderungen, ein besseres Kundenangebot sowie effizientere und kostengünstigere Prozesse sind dabei die wichtigsten Aspekte, warum sich Dritt-Emittenten für unsere Plattform entscheiden», erklärt Vincenzo Zinna. Auch im jüngst initiierten Start von deritrade in Singapur sieht man viel Potenzial. Die rund zehn vor Ort tätigen Teammitglieder gelten als Vontobels neue Plattform-Speerspitze im Zukunftsmarkt Asien. Dort ist der Appetit an Kapitalmarktprodukten ungebremst.
Leonteq und der Constructor unter Strom
In voller Fahrt scheint auch Leonteq zu sein. Die Umfirmierung von EFG Financial Products im Zuge des Aktionärswechsels (ihr Aktienpaket von 22,75% ging an die Notenstein Privatbank über) sei «äusserst positiv aufgenommen worden», hört man. Parallel scheint das bewegte Geschäftsjahr 2013 durchwegs positive Spuren zu hinterlassen – sowohl beim Geschäft mit institutionellen Kunden als auch im öffentlichen Vertrieb. «Das Jahr war für uns sehr ereignisreich», bestätigt Manuel Dürr, Head of Public Distribution bei Leonteq Securities. Nicht zuletzt auch durch die hauseigene Structuring-Plattform, mit deren Hilfe «rund eine Million Pricings im laufenden Jahr für Strukturen bei uns angefragt wurden», so Dürr. Sein Haus bietet inzwischen über 1‘450 Basiswerte auf dem «Constructor» an. «Das Basiswert-Universum des Constructors konnten wir dieses Jahr verdreifachen», unterstreicht der Leonteq-Marketer. Die Kunden verwenden auf der Plattform als juristischen Emittenten zunehmend Leonteq, aber auch die Notenstein Privatbank – die entsprechende «Raiffeisengarantie» zeigt ihre charmante Wirkung. Produktbezogen stellt Leonteq derzeit Lösungen für Zinsenhedger und Privatanleger in das Schaufenster: Reverse-Convertibles auf den 20- und 30-jährigen-CHF-Swapsatz. Auch plant man wieder einige neue Bonuszertifikate mit garantiertem Coupon und Produkte mit Look-Back-Funktion, welche am Markt «sehr gut ankamen», so Dürr. Beste Eindrücke hinterliess auch Leonteq CEO Jan Schoch beim jüngsten Festakt von Ernst & Young. Der Appenzeller wurde medienwirksam in der Kategorie «Emerging Entrepreneur» ausgezeichnet.
«Hinter den Kulissen läuft ein hartes Wettrüsten – mehr Basiswerte, mehr Automatisierung, mehr Umsatz.»
Bei Santander und der RBC geht es noch ohne
Aufstrebend präsentiert sich auch die Royal Bank of Canada (RBC). Dort kommt die zielgerichtete Schweiz-Expansion gut voran. Aktuell hat man immerhin sieben Produkte an der Scoach kotiert, die Mehrheit der Platzierungen bei Privatbanken und Anlageverwalter n läuft bei der RBC aber als OTC-Geschäfte. In Sachen Plattform greift man bei den Kanadiern bis dato ins Leere. Auch das Beispiel Santander UK zeigt, dass man auch noch ohne digitalen Vertriebsarm erfolgreich sein kann. Es ist natürlich ein grosses Stück herausfordernder. «Das Thema Plattformen verfolgen wir aufmerksam, könnten bis dato aber auch ohne eine solche Plattform jede Anfrage sehr zeitnah mit kompetitiven Preisen beantworten – und haben hierfür viel Beachtung bei der Buy-Side gefunden», gibt sich Sebastian Steinhauser, Direktor bei Santander Global Banking & Markets, entspannt. «Unsere Schweizer Kunden und wir sind mit dem Jahr 2013 absolut zufrieden», fügt er an. Ob das Stichwort «Structuring Plattform» nicht doch auf den Wunschzetteln für 2014 steht, liessen beide Häuser offen.