Widmer-Schlumpf zur Libor-Manipulation: «Ich bin entrüstet»

Eveline Widmer-Schlumpf

Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf.

Bern – Die Banken haben Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf auch in ihrem Präsidialjahr in Atem gehalten – bis zuletzt. Just am Tag ihrer Jahresbilanz eskalierte der Steuerstreit mit den USA. Der Druck auf die Schweiz steigt, rasche Lösungen sind nicht in Sicht, weitere Konzessionen zeichnen sich ab. Die Bundespräsidentin mochte dennoch nicht von einem schlechten Jahr sprechen. «Wir haben getan, was wir tun konnten», sagte sie zum gescheiterten Steuerabkommen mit Deutschland. Dass in Deutschland mit dem Abkommen Wahlkampf betrieben worden sei, habe sie nicht beeinflussen können.

Die Arbeit erschwert haben der Finanzministerin aber auch die Banken. Zur Affäre um die Manipulation der Libor-Sätze durch UBS-Banker sagte Widmer-Schlumpf: «Ich bin entrüstet über dieses Verhalten. Das ist nur noch erschreckend.» Offenbar hätten manche in der Branche aus all den vorangegangenen Geschichten nichts gelernt, was schwer verständlich sei. In Schutz genommen hat Widmer-Schlumpf in diesem Zusammenhang die Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Aufsicht habe offensichtlich funktioniert, die Aufsichtsbehörden der verschiedenen Länder hätten hervorragend zusammengearbeitet.

Uneinigkeit unter den Banken
Auf die Frage, ob es nicht der Glaubwürdigkeit der Finma schade, dass eine in den Skandal verwickelte Person in ihren Reihen sitze, sagte Widmer-Schlumpf, dies müsse die Finma beurteilen. Die betreffende Person sei sehr früh in den Ausstand getreten. Im Übrigen geht Widmer-Schlumpf davon aus, dass das Parlament sich dafür entscheiden wird, die Affäre aufzuarbeiten.

Widmer-Schlumpf wirft den Banken auch vor, sich nicht auf eine Position einigen zu können, etwa beim US-Steuergesetz FATCA. Ein Teil der Banken habe darauf gedrängt, das Gesetz rasch umzusetzen, der andere habe sich dagegen gestellt. «Die Finanzbranche muss sich einen», forderte die Finanzministerin.

«FACTA macht niemandem Freude»
Über das Steuergesetz, das Banken verpflichtet, Konten von US-Bürgern zu melden, zeigte sie sich wenig erfreut. Enttäuschend war vor allem, dass es nicht gelang, gleichzeitig eine Globallösung für jene 13 Banken auszuhandeln, welchen in den USA Anklagen drohen.

«Wir sind nicht soweit, wie wir sein möchten», räumte Widmer-Schlumpf ein. Das Parlament wird sich voraussichtlich im Sommer mit dem Abkommen zur Umsetzung von FATCA befassen. Die Finanzministerin hofft, bis dahin einen Schritt weiter zu sein.

Bankmitarbeitende angeklagt
Aktuell scheint die Situation allerdings eher zu eskalieren: Am Donnerstag wurde bekannt, dass in den USA Mitarbeiter der Zürcher Kantonalbank (ZKB) wegen Beihilfe zu Steuerbetrug angeklagt wurden. Widmer-Schlumpf nahm denn auch Stellung zur Frage, ob die ZKB nun in eine ähnliche Situation geraten könnte wie die inzwischen zerschlagene Bank Wegelin.

Laut der Finanzministerin haben sich die USA verpflichtet, nicht gegen einzelne Banken vorzugehen, solange die Diskussionen über FATCA und eine Globallösung für die 13 Banken laufen, welchen in den USA Anklagen drohen. Dass die USA gegen einzelne Mitarbeiter vorgingen, sei aber nicht zu verhindern.

Steigender Druck aus der EU
Mit FATCA gesteht die Schweiz den USA faktisch eine Art von automatischem Informationsaustausch zu. Dass damit der Druck der EU auf die Schweiz steigen dürfte, streitet Widmer-Schlumpf nicht ab. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass der automatische Informationsaustausch derzeit auch in der EU nicht Standard sei.

Ausserdem sei es nicht möglich, FATCA auf die EU zu übertragen, weil die Rechtssysteme unterschiedlich seien. Die Schweiz werde aber die Diskussion mit der EU über den Informationsaustausch führen müssen, stellte Widmer-Schlumpf klar.

Bereit zu Verhandlungen über Informationsaustausch
Sie tönte dabei an, dass die Schweiz zu bestimmten Formen des Austauschs von Informationen bereit wäre. Es handle sich nicht um eine Frage, die mit Ja oder Nein zu beantworten sei. Vielmehr sei zu klären, welche Informationen ausgetauscht werden sollten. Nicht akzeptabel für die Schweiz sei der Austausch sämtlicher Informationen. Auch müsse diskutiert werden, an wen die Informationen gingen und was die Schweiz dafür erhalten würde.

Widmer-Schlumpf erinnerte ferner daran, dass sich der Bundesrat schon dazu bereit erklärt hat, Steuersünder nicht mehr in jedem Fall über Amtshilfeverfahren zu informieren. Es müsse Ausnahmen geben, dies werde demnächst auch der OECD-Standard sein.

Auf die Finanzthemen reduziert
Die Finanzministerin machte deutlich, dass die Erwartungen an sie höchst unterschiedlich sind. Manche würden ihr vorwerfen, sie stets mit Feuerwehrübungen zu überfallen, anderen dauere alles viel zu lange, stellte sie fest. Das Präsidialamt habe ihr geholfen, bei den Finanzthemen «Kanäle zu öffnen». So habe sie Regierungschefs getroffen, die sie sonst nicht hätte treffen können. Dafür sei sie oft auf ihre Rolle als Finanzministerin reduziert worden.

Als Bundespräsidentin kann Widmer-Schlumpf als Erfolg verbuchen, dass das Funktionieren des Bundesrates wenig zu reden gab. Sie selbst hob in der Bilanz die zahlreichen Begegnungen hervor, etwa mit Jugendlichen. Zu den schwierigsten Momenten ihres Präsidialjahres zählte sie das Car-Unglück im Wallis, bei dem 28 Menschen ums Leben kamen. (awp/mc/upd/ps)

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