Die Zeit ist für Grossfusionen und Übernahmen gerade günstig
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Zürich – Der Frühling macht Pharmariesen, Zementkonzernen und Energiemultis Appetit auf Fusionen. Neben dem guten Wirtschaftsklima und der freundlichen Börsenentwicklung sehen Experten den Grund dafür auch bei den tiefen Zinsen und nicht zuletzt steuerlichen Anreizen.
«Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise ist der Markt wieder attraktiv», sagt Timo Knak von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Die Unternehmen seien gut positioniert und müssten sich entweder fokussieren oder vergrössern, um die Marktführerschaft zu behalten.
Schweizer Grosskonzerne wie Novartis, der einen Milliardentausch von Sparten mit dem britischen Konkurrenten GlaxoSmithKline vereinbart hat, oder Holcim, der mit dem französischen Rivalen Lafarge den mit Abstand weltgrössten Zementkonzern baut, seien sicherlich von diesem Phänomen betroffen.
Bewegung im Markt
General Electrics und Siemens, die für die Energiesparte des französischen Industriekonzerns Alstom bieten, sprechen die gleiche Sprache. Ebenfalls in der Pharmabranche will das amerikanische Unternehmen Pfizer den britisch-schwedischen Konkurrenten AstraZeneca kaufen.
In Kanada unternimmt das Pharmaunternehmen Valeant einen Versuch, per feindlicher Übernahme und mit 45 Mrd. Dollar an den kalifornischen Botox-Hersteller Allergan heranzukommen. Der US-Konzern Merck will seine Medikamentensparte loswerden. Aber auch kleinere Unternehmen sind in Bewegung.
Dies sei vor allem so, wenn diese an der Börse kotiert seien, sagte Experte Knak im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. «Viele von ihnen haben Reserven an flüssigen Mitteln aufgebaut.» Mit so viel Geld auf der hohen Kante drängten die Aktionäre darauf, dass die Mittel ausgegeben würden, etwa für Zukäufe.
Aktien als Währung
Wegen der gestiegenen Börsenkurse sind Aktien derzeit eine gute Währung für Zukäufe, Fusionen und Spartentausche. Die tiefen Zinsen sind ausserdem gut für die Finanzierung. Ein Grund für internationale Fusionen mag auch sein, dass Firmen die Steuern in einem anderen Land bezahlen wollen.
«Die Besteuerung ist ein wichtiges Element bei der Suche nach Zukaufsmöglichkeiten», sagte der ehemalige Fondsmanager Robert Pozen der Nachrichtenagentur AFP. Eine Besonderheit stellten dabei die USA dar.
Besonderes US-System
Die grösste Wirtschaftsmacht der Welt besteuert alle Gewinne eines Konzerns, auch jene die ausserhalb des Landes erzielt wurden. Sie erlauben Firmen aber auch, einen Teil der Gewinne ausserhalb des Landes zu verwalten, und das unbegrenzt und ausserhalb der Reichweite amerikanischer Steuerbehörden.
Im Lauf der Jahren haben die Wall-Street-Giganten bergeweise Geld ausserhalb der USA angehäuft. Laut der Auskunftei Audit Analytics geht es dabei um 2000 Mrd. Dollar.
Die Firmen müssen dies nicht nach dem US-Satz von 35 Prozent versteuern, einem der höchsten Abgabensätze der industrialisierten Welt. Eine Möglichkeit, dieses Geld nicht in die USA zurückführen zu müssen, besteht darin, es im Ausland auszugeben, speziell in Europa.
Wie es weitergeht, ist laut KPMG-Experte Knak schwierig vorauszusagen. Die grossen Fusionen brauchten eine gewisse Vorbereitungszeit und seien trotz allem ein aussergewöhnlicher Vorgang. Bei einem guten Wirtschaftsklima und angesichts der tiefen Zinsen könnte der Fusionsreigen in jedem Falle noch einige Zeit weitergehen. (awp/mc/ps)