(Bild: Fotolia #37610862 © Gina Sanders)
Zürich – In den nächsten 12 Monaten werden 41 Prozent der Versicherungskunden wahrscheinlich zu einem anderen Versicherungsunternehmen wechseln, obwohl die Mehrzahl von ihnen (86 Prozent) mit der Schadensbearbeitung bei ihrem aktuellen Versicherer zufrieden ist. Das ergibt eine neue Studie von Accenture, bei der fast 8.000 Automobil- und Hausversicherungskunden in 14 Ländern befragt wurden.
Nur vierzehn Prozent der Versicherungskunden, die in den letzten zwei Jahren einen Schaden angemeldet haben, sind mit der Bearbeitung unzufrieden – 83 Prozent dieser Kunden planen, zu einem anderen Versicherer zu wechseln oder haben das bereits getan. „Während Kunden, die mit der Schadenerledigung unzufrieden waren, fast mit neunzigprozentiger Sicherheit den Versicherer wechseln werden, bleiben auch zufriedene Kunden nicht unbedingt loyal“, sagt Michael Costonis, Managing Director im Bereich Versicherungen und Leiter der globalen Abteilung Schadenmanagement bei Accenture. „Die Befragungsergebnisse bringen klar zum Ausdruck, dass es nicht mehr ausreicht, Schäden zur Zufriedenheit der Kunden zu erledigen. Versicherer müssen sich sowohl im Bereich der Servicequalität und der finanziellen Regelung, insbesondere der Realersatzmöglichkeiten, verbessern als auch die Bearbeitungsdauer verkürzen.“
Schadenfall führt zu Wechselgelüsten
Die Befragung ergibt darüber hinaus, dass Versicherungskunden, welche in den letzten zwei Jahren einen Schadenfall gemeldet haben, in den nächsten 12 Monaten mit fast doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit den Versicherer wechseln werden als solche, welche keinen Anspruch eingereicht haben – nämlich 41 Prozent im Vergleich zu 22 Prozent. „Schon der Eintritt eines Schadenfalls steigert die Neigung des Kunden den Versicherer zu wechseln, und zwar unabhängig davon, wie zufrieden sie mit seiner Bearbeitung waren“, sagt Costonis. „Aus dieser Sicht sollten sich die Versicherer noch mehr Gedanken darüber machen, wie sie den Kunden unterstützen können, ihre Risiken besser zu kontrollieren, um die Häufigkeit von Schadensansprüchen zu reduzieren. Die von einigen Versicherern bereits angebotenen Assistance- und Präventionsprogramme gehen hier in die richtige Richtung.“
Die Kunden sind bereit, Informationen preiszugeben, um Vorteile zu erhalten
Die Befragung zeigt zudem, dass mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Versicherten bereit wären, im Austausch gegen bestimmte Vorteile mit ihren Versicherern persönliche Informationen zu teilen. So sind 77 Prozent dieser Befragten bereit persönliche Daten preiszugeben, um niedrigere Versicherungsprämien zu erhalten, und mehr als die Hälfte (59 Prozent) würden dies für eine schnellere Schadensbearbeitung tun, weitere 28 Prozent für persönliche Empfehlungen zur Risikoreduktion und Vermeidung von Schadenfällen. Auf die Frage, welche Arten von Informationen Versicherte denn preisgeben würden, gaben 56 Prozent der Kfz-Kunden Informationen über den Zustand ihrer Autos an, 52 Prozent über ihr Fahrverhalten und 39 Prozent über ihren GPS-Standort. Bei den Gebäude- und Hausratsversicherungen gaben 78 Prozent der Befragten an, dass sie Daten, welche von Rauch-, Kohlenmonoxid-, Feuchtigkeits- oder Bewegungsmeldern stammen, melden würden. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) ist bereit Aufnahmen von Überwachungskameras zur Verfügung zu stellen.
„Versicherte sind durchaus bereit, Informationen bereitzustellen: Versicherer, welche fähig sind, ihren Kunden zu helfen, Risiken besser unter Kontrolle zu bringen und so Schadenfälle zu vermeiden, werden nicht nur die schadensbezogenen Kosten senken, sondern auch die Kundenbindung stärken“, sagt Thomas D. Meyer, Geschäftsführer von Accenture Schweiz und Managing Director des Geschäftsbereichs Versicherungen in Europa, Afrika und Lateinamerika. „Dafür müssen Versicherer aber auch die Kundenerwartungen in vielen anderen Bereichen erfüllen, zum Beispiel im Hinblick auf die Bearbeitungszeit, die Transparenz der Bearbeitungsprozesse und die Verwendung von Daten durch moderne Technologien wie Mobilgeräte und Social Media.“
Die Bearbeitungszeit und die Transparenz des Bearbeitungsprozesses sind Schlüsselfaktoren für die Kundenbindung
Die Befragungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Schnelligkeit und die Erläuterung sowie Nachvollziehbarkeit der Schadenbearbeitung die wichtigsten Einflussfaktoren für eine hohe Kundenloyalität sind. Beide stehen für 94 Prozent der Befragungsteilnehmer diesbezüglich an erster Stelle. Darüber hinaus gaben 90 Prozent der Befragten an, dass es ihnen wichtig ist, den Versicherer jederzeit erreichen zu können, um den Stand ihres Schadenfalls online zu überprüfen.
Fast drei Fünftel (61 Prozent) der befragten Versicherungskunden gaben an, dass sie digitale Kanäle zur Information über den Bearbeitungsstand des Schadens vorziehen würden. Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) sagte, dass sie ein Versicherungsunternehmen nicht weiter empfehlen würden, wenn sie nicht auf digitalen Kanälen kommunizieren könnten und mehr als zwei Fünftel (44 Prozent) gaben an, dass sie den Versicherer wechseln würden, wenn sie diese Kanäle nicht nutzen könnten.
Auch Social Media hat einen wachsenden Einfluss auf die Wahrnehmung des Kunden. Fast jeder dritte Befragte (29 Prozent) gab an, dass er positive Erfahrungen mit seiner Schadensfallbearbeitung auf Social-Media-Plattformen zum Ausdruck bringen würde, und etwa ebenso viele Kunden (30 Prozent) würden dies auch im Hinblick auf negative Erfahrungen tun, Tripadvisor für Versicherungen quasi. Zudem sagten 43 Prozent der Befragten, dass sie die Bewertungen anderer hinsichtlich deren Erfahrungen mit Schadensbearbeitungen lesen oder in Zukunft lesen wollen.
Weitere Befragungsergebnisse:
- Mehr als einer von sechs befragten Kunden (17 Prozent) gab zu, bei der letzten Schadensmeldung einen höheren Schadenumfang angegeben zu haben, als tatsächlich entstanden war. In der Gruppe der Kunden, die mit der Bearbeitung ihres Anspruchs „sehr zufrieden“ waren, taten dies dagegen nur 8 Prozent.
- Lediglich 11 Prozent der Befragten nutzen die mobilen Anwendungen der Versicherer für Smartphone oder Tablets, wobei 53 Prozent sagen, dass sie diese zukünftig nutzen wollen. Die tiefe aktuelle Nutzung der mobilen Anwendungen ist darauf zurückzuführen, dass 43 Prozent der Befragten diese nicht kennen und 46 Prozent die Vorteile bzw. den Dienstleistungsumfang nicht kennen. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Befragten, die solche Anwendungen kennen, gab an, nicht an ihrer Nutzung interessiert zu sein.
- Die Kundenzufriedenheit mit der Schadensbearbeitung ist von Land zu Land unterschiedlich; am höchsten ist sie in Dänemark (92 Prozent), den Niederlanden (91 Prozent) und den USA (90 Prozent), und am geringsten in Spanien (76 Prozent) und Italien (73 Prozent). Ein allfälliger ‚one-fits-all‘-Ansatz bei international tätigen Versicherern wird hier somit versagen.
- „Die Befragungsergebnisse beweisen einmal mehr, wie entscheidend es für die Versicherer ist, welche Erfahrungen ihre Kunden bei der Schadensbearbeitung machen“, sagt Thomas D. Meyer. „Mehr und mehr Versicherte, die mit ihrer Schadensbearbeitung unzufrieden sind, wechseln nicht nur sehr wahrscheinlich ihren Versicherer, sondern bringen ihre schlechten Erfahrungen auch noch auf Social-Media-Plattformen zum Ausdruck. Diese Entwicklungen beobachten wir auch in der Schweiz. Die Versicherer müssen den Schadenprozess, ihre Organisationsstruktur und wohl auch die Firmenkultur überdenken, um die Forderungen ihrer anspruchsvollen und zunehmend digital vernetzten Kunden erfüllen zu können.“ Es scheint so, dass die nächste Welle von Prozessinnovationen, die v.a. im Schadenbereich anzusiedeln sind, jedoch ins Leere greifen, wenn sie nicht durch erweiterte Präventions- und Beratungsmodelle gestützt werden.
Über die Studie:
Accenture führte im Mai 2014 eine Online-Befragung von 7.875 Versicherungskunden durch. Von den Befragten antworteten 4.015 auf die gestellten Fragen zu ihrer Autoversicherung und 3.860 zu ihrer Hausversicherung. Vierzig Prozent der Befragten hatten in den letzten zwei Jahren einen Anspruch im Rahmen ihrer Auto- oder Hausversicherung geltend gemacht. Unter den 7.875 Befragten waren 1.000 Versicherungskunden aus den USA, 571 aus Kanada, 569 aus Grossbritannien, 560 aus Finnland, 544 aus Norwegen, 537 aus Schweden, jeweils 520 aus den Niederlanden und Frankreich, 516 aus Italien, 514 aus Dänemark, 507 aus der Türkei, 503 aus Deutschland und jeweils 500 aus Spanien und Brasilien. (Accenture/mc/hfu)
Über Accenture:
Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit mehr als 305.000 Mitarbeitenden, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind. Als Partner für grosse Business-Transformationen bringt das Unternehmen umfassende Projekterfahrung, fundierte Fähigkeiten über alle Branchen und Unternehmensbereiche hinweg und Wissen aus qualifizierten Analysen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kunden ein. Accenture erwirtschaftete im vergangenen Fiskaljahr (zum 31. August 2014) einen Nettoumsatz von 30 Mrd. US-Dollar. Die Internetadresse lautet www.accenture.ch.