Zweiter Anlauf der Justiz im Debakel um die Genfer KB
BCGE-Sitz in Genf.
Genf – Ab Montag müssen sich fünf ehemalige Kader für Milliardenverluste bei der Genfer Kantonalbank (BCGE) erneut vor dem Genfer Strafgericht verantworten. Der erste Prozess wurde im letzten Herbst abgebrochen. Dem damals zuständigen Richter wurde vorgeworfen, die Auswahl der Jury-Mitglieder beeinflusst zu haben. Er wurde suspendiert, und eine Untersuchung wurde gegen ihn eingeleitet.
Der neue Prozess wird nun ohne Geschworenen abgehalten. Mit der Einführung der neuen Strafprozessordnung per 1. Januar 2011 wurde diese Institution auch in Genf abgeschafft. Wie schon beim letzten Mal, wird wohl auch in diesem Prozess mit harten Bandagen gekämpft. Bereits gab es einen kleinen Vorgeschmack: Mehrere Angeklagte hatten sich gegen die Ernennung von Jean-Marc Verniory als Gerichtspräsidenten gewehrt – jedoch erfolglos. Alle Ablehnungsanträge gegen den Richter wurden abgelehnt. Um zu verhindern, dass der Prozess bei einem weiteren Ablehnungsantrag gegenüber der Staatsanwaltschaft blockiert wird, werden Generalstaatsanwalt Daniel Zappelli zwei Staatsanwälte zur Seite gestellt.
Ursprünglich rund 80 Zeugenaussagen geplant
Anklage und Verteidigung wollten im Prozess ursprünglich rund 80 Zeugen in den Zeugenstand rufen. Davon werden nun lediglich etwas über 30 vor Gericht aussagen. Der Gerichtspräsident hatte entschieden, nur jene Zeugen zuzulassen, die nicht schon während der Untersuchung ihre Aussagen gemacht haben. Auf der Anklagebank sitzen der ehemalige Verwaltungsratspräsident Dominique Ducret, der Ex-Generaldirektor Marc Fues, der ehemalige Vizedirektor René Curti sowie zwei Revisoren der Firma Ernst&Young. Sie alle müssen sich wegen Urkundenfälschung und qualifizierter ungetreuer Geschäftsführung vor dem Gericht verantworten.
Bilanz über mehrere Jahre geschönt
Während drei Rechnungsperioden von 1996 bis 1999 sollen sie die Bilanz der Bank geschönt haben. In dieser Zeit herrschte eine Immobilienkrise, welche der Bank Milliardenverlusten bescherte. Im Jahr 2000 flog alles auf. Der Kanton Genf musste eingreifen, um den Untergang der Kantonalbank zu verhindern. Er gründete einen Fonds, der 5 Mrd CHF an faulen Krediten übernahm.
Milliardenbelastung für Steuerzahler
Die Bank, um ihren schlechten Immobiliengeschäfte entlastet, konnte so wieder Fuss fassen. Die Rettung der BCGE kostete die Genfer Steuerzahlenden im Endeffekt etwas mehr als 2 Mrd CHF. Dank der guten Entwicklung des Immobilienmarktes in den letzten Jahren konnte die Verlustrechnung für den Staat von ursprünglichen 2,7 Mrd auf etwas über 2 Mrd CHF reduziert werden. Der Prozess dauert voraussichtlich bis zum 15. Juli. Vom 28. Mai bis 19. Juni wurde ein Unterbruch anberaumt, damit Christian Lüscher, Anwalt eines Angeklagten, an der Sommersession der eidgenössischen Räte teilnehmen kann. Lüscher sitzt für die Genfer Liberalen im Nationalrat. (awp/mc/ps)