Erste Kunden verlassen die wiedergeöffneten Banken.
Nikosia – Vorsichtiges Aufatmen in Zypern: Nach fast zwei Wochen hat der krisengeschüttelte Inselstaat seine Banken wieder geöffnet – und der befürchtete Ansturm blieb aus. Vor den Zweigstellen in der Hauptstadt Nikosia hatten am Donnerstagmorgen zwar schon viele Menschen ungeduldig auf Einlass gewartet. Dank der Aufrufe, die seit dem Vortag im Radio und im Fernsehen ausgestrahlt wurden, bewahrten die Zyprer aber Ruhe. Sie hatten sich seit Mitte März nur noch an Automaten in kleinen Summen mit Bargeld versorgen können. Andere Bankgeschäfte ruhten.
Auch am Nachmittag blieb die Lage in Zypern ruhig: Vor den Banken am zentralen Eleftherias Platz in der Hauptstadt Nikosia gab es einige Stunden nach deren Öffnung so gut wie keine Kunden mehr. Auch aus den Hafenstädten Limassol und Larnaka wurde kein Andrang gemeldet. Ruhig sei es auch im Westen der Insel in der Touristenstadt Paphos gewesen, berichteten übereinstimmend zyprische Radio- und Fernsehsender.
Zyperns präsident bedankt sich bei der Bevölkerung
Zyperns Präsident Nikos Anastasiades bedankte sich bei seinen Mitbürgern für deren besonnenes Verhalten. Die Zyprer hätten gezeigt, dass sie «es nicht nur wollen, sondern es auch können», ihr Land aus der Krise zu führen.
Die zyprische Zentralbank war laut Medienberichten am Vortag mit fünf Milliarden Euro Bargeld ausgestattet worden. Das von der Europäischen Zentralbank (EZB) bereitgestellte Geld sei am Abend in einem schwer bewachten Konvoi vom Flughafen Larnaka aus zur Zentralbank in Nikosia gefahren worden. Von dort wurde es an die Bankfilialen im Land verteilt.
Polizei zeigt Präsenz
In den Strassen der kleinen Inselrepublik zeigten Polizeistreifen seit den frühen Morgenstunden Präsenz und fuhren von Bank zu Bank. Zusätzlich waren vor den Türen der Banken private Sicherheitsdienste im Einsatz. Um Tumulte zu verhindern, wurden Bankkunden in Gruppen von zehn Personen eingelassen.
«Alles läuft gut. Ich bin zufrieden», sagte der zyprische Abgeordnete Prodoromos Prodromou am Vormittag der Nachrichtenagentur dpa. Der Politiker stand auf dem zentralen Eleftherias Platz im Zentrum Nikosias, um die Öffnung der Banken zu beobachten. In einem Bericht des staatlichen Fernsehens (RIK) hiess es: «Wenn das so weiter geht, dann werden wir sagen können: Alles nach Plan gelaufen.»
Maximal 300 Euro pro Tag
Harte Regeln der zyprischen Notenbank sollen ein schnelles Ausbluten der Banken verhindern. So dürfen pro Person und Bank maximal 300 Euro pro Tag abgehoben werden. Daueraufträge für die Zahlung von Löhnen werden wieder erlaubt. Strenge Regeln gelten für den Zahlungsverkehr mit dem Ausland. Im einzelnen sollen Auslandsüberweisungen und Zahlungen mit Kreditkarten im Ausland pro Person und Bank zunächst auf 5000 Euro beschränkt werden. Für Beträge bis zu 200 000 Euro und darüber sind Sondergenehmigungen der Zentralbank notwendig.
Die Einschränkungen sind nach Angaben der EU-Kommission durch den EU-Vertrag gedeckt. EU-Staaten dürften den freien Kapitalverkehr beschränken, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig sei, teilte die Brüsseler Behörde mit. Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zufolge sei dies auch aus Gründen des öffentlichen Interesses erlaubt. Allerdings soll es schon vor der Schliessung ungewöhnlich hohe Geldüberweisungen ins Ausland und Bargeld-Abhebungen gegeben haben. Diesen Informationen geht nun Parlamentspräsident Giannakis Omirou nach. Einen neuen Stand dazu gab es am Donnerstag aber noch nicht.
EU-Binnenmarktkomissar Barnier sieht Blaupause
Ähnlich wie bei der Premiere in Zypern will die EU-Kommission schon bald systematisch Grossanleger für die Sanierung und Abwicklung strauchelnder Banken zur Kasse bitten können. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sagte dem «Handelsblatt» (Donnerstag), sein Gesetzentwurf zur Bankenabwicklung solle noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Gesetzlich geschützt seien nur Sparkonten bis 100.000 Euro. Darüberhinaus könnten bestimmte Gläubiger und Anleger zur Kasse gebeten werden, wenn es nicht anders ginge. Dies werde für Klarheit sorgen: «Dann gibt es klare Spielregeln für alle, die ihr Geld in Banken investieren», sagte Barnier. (awp/mc/upd/ps)