50 Tage Ukraine-Krieg: Düstere Warnungen aus Moskau an den Westen

Umkämpfte Stadt Mariupol im Südosten der Ukraine.

Moskau / Kiew – 50 Tage nach Beginn des Ukraine-Kriegs hat Russland am Donnerstag düstere Warnungen an den Westen gerichtet. Kremlchef Wladimir Putin prophezeite negative Folgen eines Energieembargos gegen Russland. Sein Vorgänger Dmitri Medwedew drohte für den Fall eines Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens mit der Stationierung von Atomwaffen im Ostseeraum. Im Kriegsgebiet konzentrierten sich die Gefechte auf die Ostukraine. In Deutschland wächst der Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD), sich zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine durchzuringen.

Russland hatte die Ukraine am 24. Februar angegriffen. Aus der Umgebung der Hauptstadt Kiew hat sich das russische Militär inzwischen zurückgezogen, um sich für eine Offensive im Osten und Süden der Ukraine neu zu formieren. Diese wird für die nächsten Tage erwartet. Aus ehemals besetzten Gebieten werden Kriegsgräuel gemeldet.

Drohungen aus Moskau
Wegen des Ukraine-Kriegs erwägen Finnland und Schweden zudem nun ernsthaft, rasch dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato beizutreten. Darauf reagierte Ex-Präsident Medwedew erbost. «In diesem Fall kann schon nicht mehr von einem atomwaffenfreien Status des Baltikums die Rede sein», schrieb der Putin-Vertraute bei Telegram. Konkret drohte er mit der Stationierung von «Iskander»-Raketen, Hyperschallwaffen und Kriegsschiffen mit Atomwaffen.

Wenig später richtete Putin selbst Vorwürfe an westliche Staaten, die Gas aus Russland beziehen: «Die Banken aus diesen äusserst unfreundlichen Staaten halten die Überweisung von Zahlungen zurück», sagte der Präsident. Putin hatte Ende März angewiesen, dass EU-Länder russisches Gas nur noch in Rubel bezahlen dürfen. Allerdings liess er den Beziehern die Möglichkeit, auf ein Konto bei der Gazprombank doch wie bisher Dollar und Euro einzuzahlen und es von der Bank konvertieren zu lassen. Wo jetzt die Probleme liegen sollen, blieb zunächst offen.

Deutlich äusserte sich Putin aber zu den in der EU immer lauter werdenden Forderungen nach einem Embargo gegen russisches Gas und Öl: «Die Folgen eines solchen Schrittes können sehr schmerzhaft werden – vor allem für die Initiatoren einer solchen Politik.»

Kampf um Mariupol – Verwirrung um «Moskwa»
Im Kriegsgebiet nahmen russische Truppen die seit Wochen belagerte südukrainische Hafenstadt Mariupol noch härter in die Zange. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, russische Truppen hätten den Hafen komplett unter Kontrolle. Zudem hätten sich inzwischen 1160 ukrainische Soldaten ergeben. Mariupols Bürgermeister Wadym Bojtschenko wies dies als «Falschnachrichten» zurück und gab sich siegessicher. «Mariupol war, ist und bleibt eine ukrainische Stadt», sagte er in der ARD.

Ähnlich widersprüchliche Darstellungen gab es zu einem Brand auf dem russischen Flaggschiff «Moskwa» im Schwarzen Meer. Während die Ukraine erklärte, man habe das Schiff mit Raketen getroffen und versenkt, sprach das russische Verteidigungsministerium lediglich von Schäden und versicherte, die «Moskwa» sei weiter seetüchtig. Klar wurde aber, dass das Schiff für den Krieg wohl zunächst ausfällt.

Das russische Ministerium meldete auch, man habe auf einem Flugplatz der ostukrainischen Millionenstadt Dnipro einen Kampfflieger und weiteres Fluggerät zerstört. Darüber hinaus seien zwei Waffenlager in den Gebieten Odessa und Donezk attackiert worden. Die Angaben der Kriegsparteien sind meist nicht unabhängig zu überprüfen.

Der polnische Präsident Andrzej Duda warf Russland vor, in der Ukraine einen «totalen Krieg» zu führen. Er hoffe, sein gemeinsamer Besuch mit den Präsidenten Litauens, Lettlands und Estlands in Kiew sei ein Zeichen der Unterstützung für die Verteidiger der Ukraine.

«Diplomatischer Fehler»
Ursprünglich wollte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den vier Präsidenten in die Ukraine reisen. Doch sagte Steinmeier, er sei in Kiew offenbar nicht erwünscht. Die Absage aus Kiew wird in Berlin parteiübergreifend als Affront gewertet. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von einem diplomatischen Fehler.

Gleichwohl dringen vor allem Grüne und FDP in der Ampel-Koalition auf weitere Hilfen für Kiew auch in Form von schweren Waffen. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte von Bundeskanzler Scholz Bewegung. «Das Problem ist im Kanzleramt», sagte Hofreiter bei RTL. «Wir müssen jetzt endlich anfangen, der Ukraine das zu liefern, was sie braucht, und das sind auch schwere Waffen.» Und Deutschland müsse aufhören, ein Embargo von Öl und Kohle zu blockieren. Nötig sei mehr Führung. Ähnliche Mahnungen kamen von der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Deutschlandfunk. Scholz hat sich bisher zurückhaltend zur Lieferung schwerer Waffen an Kiew geäussert.

Heil ruft zu andauernder Unterstützung für Kriegsflüchtlinge auf
Deutschland muss sich nach Einschätzung von Arbeitsminister Hubertus Heil auch drauf einstellen, die ukrainischen Kriegsflüchtlinge für längere Zeit aufzunehmen. Angesichts der Zerstörung in der Ukraine würden wohl viele der Menschen länger bleiben, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Rund 340’000 ukrainische Kriegsflüchtlinge sind bisher offiziell in Deutschland festgestellt.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), verwies auf Schätzungen, wonach bis zu eine Million Menschen aus der Ukraine kommen könnten, davon bis zu 400’000 Schülerinnen und Schüler. Dem müsse das deutsche Schulsystem gerecht werden, sagte sie die schleswig-holsteinische Bildungsministerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Nötig wären etwa 24 000 Lehrer. Eine noch viel grössere Anstrengung leistet Polen: Dort hat der Grenzschutz bis Donnerstag 2,73 Millionen Flüchtlinge gezählt.

UN warnt vor Folgekrisen des Ukraine-Kriegs
Weltweit wird der Ukraine-Krieg aus Sicht von UN-Generalsekretär Antonio Guterres eine Vielzahl von Krisen bei Lebensmitteln, Energie und Finanzen auslösen. «Die Auswirkungen des Krieges sind global und systemisch», sagte Guterres in New York. Bis zu 1,7 Milliarden Menschen weltweit seien diesem «perfekten Sturm» extrem ausgesetzt. (awp/mc/ps)

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