51 Prozent für Präsidialsystem in der Türkei zu Gunsten Erdogans

51 Prozent für Präsidialsystem in der Türkei zu Gunsten Erdogans
Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatspräsident.

Istanbul – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat das Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems, das ihm künftig eine noch grössere Machtfülle beschert, knapp gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Wahlkommission entfielen 51,3 Prozent der Stimmen auf «Ja».

48,7 Prozent der türkischen Wähler votierten demnach mit «Nein». In Istanbul, Ankara und Izmir – den drei grössten Städten des Landes – überwogen die «Nein»-Stimmen. Die türkische Opposition, die eine Ein-Mann-Herrschaft Erdogans befürchtet, kritisierte Unregelmässigkeiten bei der Abstimmung und kündigte Einspruch an.

Dem knappen Ausgang der Abstimmung war ein spannendes Rennen vorausgegangen, bei dem der «Ja»-Anteil von anfangs mehr als 60 Prozent mit fortschreitender Auszählung der Stimmen beständig abnahm.

Erst Stunden nach Schliessung der Wahllokale trat Erdogan in Istanbul vor die Kameras und sprach von einer «historischen Entscheidung», mit der das Volk der Verfassungsänderung zugestimmt habe.

Nach dem vorläufigen Resultat habe das «Ja»-Lager gewonnen, bestätigte der Vorsitzende der Wahlkommission, Sadi Güven, im Fernsehen. 24,8 Millionen Wähler hätten mit «Ja» votiert, 23,5 Millionen hätten das Präsidialsystem abgelehnt.

Einführung der Todesstrafe
Erdogan sagte vor begeisterten Anhängern in Istanbul, seine «erste Aufgabe» werde sein, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung zu setzen. «Wir haben viel zu tun, wir haben noch viel zu erledigen in diesem Land.»

Die Menge skandierte: «Todesstrafe, Todesstrafe». Wenn er dafür nicht die nötige Unterstützung im Parlament bekomme, «dann machen wir eben auch dazu eine Volksabstimmung», bekräftigte der Präsident.

Erdogan hatte eine Wiedereinführung der Todesstrafe in Reaktion auf den Putschversuch vom Juli 2016 ins Spiel gebracht. Die EU hat angekündigt, dass der Beitrittsprozess der Türkei beendet würde, sollte dort die Todesstrafe wieder eingeführt werden.

EU-Kommission reagiert zurückhaltend
Die EU-Kommission reagierte zunächst zurückhaltend auf den Ausgang des Referendums. Man warte noch auf die Bewertung der internationalen Wahlbeobachter, «auch mit Blick auf angebliche Unregelmässigkeiten», teilten die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini, der EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik, Johannes Hahn, und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit.

Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wollen an diesem Montag (14.00 Uhr) in Ankara ihren Bericht vorlegen.

Yildirim beschwört Einheit des Volkes
Ministerpräsident Binali Yildirim beschwor die Einheit des Volkes. «Wir sind eine Nation», sagte er. «Wir werden unsere Einheit und Solidarität wahren.»

Er fügte hinzu: «Es gibt keine Verlierer dieser Volksabstimmung. Gewonnen hat die Türkei und mein edles Volk. Jetzt ist es Zeit, eins zu sein.» Das Volk habe das letzte Wort gesprochen. «Es hat «Ja» gesagt und einen Punkt gesetzt», sagte Yildirim.

Opposition will Ergebnis anfechten
Die türkische Opposition will den Ausgang der Abstimmung anfechten. «Dieses Referendum hat eine Wahrheit ans Licht gebracht: Mindestens 50 Prozent dieses Volkes hat dazu «Nein» gesagt», sagte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP.

Die Wahlkommission habe ihre eigenen Vorgaben nicht beachtet. «Das werden wir bis zuletzt verfolgen.» Die prokurdische HDP kündigte an, man werde Beschwerde gegen das Ergebnis von zwei Dritteln der Wahlurnen einlegen.

Reaktionen aus Deutschland und EU
Aus Deutschland kamen am Sonntagabend zum Teil harsche Reaktionen, in denen eine Neubewertung des Verhältnisses zur Türkei und auch ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara gefordert wurde.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), forderte einen Abbruch der Verhandlungen über einen EU-Beitritt.

«Diese Lebenslüge, die wir in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei haben, nämlich die Vollmitgliedschaft, die muss jetzt ernsthaft diskutiert werden und aus unserer Sicht vom Tisch genommen werden», sagte er im ZDF-«heute journal».

Ähnlich äusserte sich der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff. CDU-Vizechefin Julia Klöckner sagte: «Die Tür zu einem EU-Beitritt ist nun endgültig zu.»

Die Linksfraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Der heutige Tag ist eine Zäsur für die Türkei. (…) Durch Manipulationen ist es dem türkischen Präsidenten Erdogan gelungen, eine Mehrheit für eine Diktatur zu erreichen.»

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte eine Neubewertung der deutsch-türkischen Beziehungen: «Ein «Weiter so» kann es jedenfalls nicht geben». Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte in Berlin: «Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen.»

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