Toulouse – Der Flugzeugbauer Airbus rechnet in den nächsten 20 Jahren mit einem weiter steigenden Bedarf an Verkehrsjets. Die weltweite Passagierjet-Flotte dürfte sich bis zum Jahr 2036 mehr als verdoppeln, kündigte Verkaufschef John Leahy am Freitag in Toulouse an. Allerdings erwartet er bei den Fluglinien geringere Passagierzuwächse als zuletzt. Zudem muss sich Airbus immer grössere Sorgen um sein Flaggschiff A380 machen. Wenn Neubestellungen weiterhin ausbleiben, muss das Unternehmen die Produktion noch stärker zurückfahren. Die diskutierte Neuauflage als A380neo ist vom Tisch.
Am Aktienmarkt wurden die Nachrichten positiv aufgenommen. Bis zur Mittagszeit gewann die Airbus-Aktie an der Pariser Börse 1,23 Prozent auf 74,66 Euro und war damit stärkster Wert im französischen Leitindex CAC 40.
Nach Leahys Schätzung werden Fluggesellschaften in aller Welt in den Jahren 2017 bis 2036 voraussichtlich rund 34 900 neue Passagierjets und Frachtflugzeuge kaufen. Das sind gut 1800 Maschinen mehr als vor einem Jahr für die Zeit bis 2035 vorhergesagt – wobei Leahy nur solche Passagierjets mit mindestens 100 Sitzen betrachtet.
Der Zuwachs kommt vor allem von den Mittelstreckenjets wie dem stark gefragten Airbus A320neo und der Boeing 737-MAX, die für gut 70 Prozent des erwarteten Bedarfs stehen. Auch mittelgrossen Langstreckenjets mit zwei Triebwerken wie dem Airbus A350 und Boeings 787 «Dreamliner» sagt Leahy einen steigenden Bedarf voraus. Allerdings rechnet er damit, dass das Verkehrsaufkommen im Passagierverkehr bis 2036 im Schnitt nur noch um jährlich 4,4 Prozent zunimmt. Vor einem Jahr war er noch von einem Plus von 4,5 Prozent ausgegangen.
Zugpferde China und Indien
Die grössten Zuwächse erwartet er in Ländern wie China und Indien. «Mit den steigenden verfügbaren Einkommen wird sich die Zahl der Flugreisenden in Schwellenländern zwischen heute und 2036 nahezu verdreifachen.» Der Inlandsverkehr in China werde dann der weltgrösste Luftfahrtmarkt sein – und den USA den Rang ablaufen.
Bei den grössten Typen mit mehr als 400 Sitzen wie dem Airbus A380 und der Boeing 747-8, aber auch der modernisierten Boeing 777X, zollt Leahy der zuletzt schwachen Nachfrage etwas Tribut. Die Zahl von 1406 Maschinen dieser Grösse, die bis 2036 benötigt würden, liegt um 74 Exemplare niedriger als in seiner letzten Prognose.
Dennoch zeigte sich Leahy sicher, dass die Branche die Passagierzuwächse nur mit grösseren Flugzeugen bewältigen kann. «Der Passagierverkehr wird sich alle 15 Jahre verdoppeln, aber wir können nicht so viele Flughäfen bauen.» Dies zwinge zum Einsatz von Maschinen wie der A380, die in einer typischen Aufteilung Platz für 544 Passagiere bietet. So zeigt auch der Trend bei den Mittelstreckenjets hin zur längsten Version A321. Deren Anteil an den Auslieferungen in dem Segment war im vergangenen Jahr auf 41 Prozent gewachsen.
Dennoch ist die A380 bei Airbus vorerst auf dem absteigenden Ast. Die Produktion soll 2018 auf nur noch 12 Maschinen pro Jahr schrumpfen. Im vergangenen Jahr waren es noch 28 Stück. Airbus-Programmchef Didier Evrard versucht die Fixkosten zu drücken und Arbeitsprozesse so zu verändern, dass der Hersteller mit dem Flugzeug möglichst keine roten Zahlen schreibt. Falls keine neuen Bestellungen eingehen, muss die Produktion noch weiter schrumpfen.
Absage an A380neo
Einer Neuauflage des Fliegers unter dem Namen A380neo mit sparsameren Triebwerken erteilte Verkehrsflugzeugchef Fabrice Brégier jedoch eine Absage. «Dafür gibt es kein Geschäftsszenario.» Die Airbus-Führung und Triebwerkshersteller Rolls-Royce scheuen das Risiko, dass sie die Entwicklungskosten nicht wieder hereinbekommen. Die arabische Fluglinie Emirates hatte zwar wiederholt eine A380neo gefordert. Allerdings fanden sich offenbar nicht genug weitere Interessenten. Emirates ist mit 142 bestellten Maschinen die weltgrösste Betreiberin der A380. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg sprechen Emirates und Airbus über eine Order, die 20 Jets des Typs umfassen könnte. Leahy sagte nur, er arbeite an weiteren Bestellungen. Damit hatte er in jüngster Zeit aber wenig Erfolg.
Noch keine grossen Sorgen bereitet Airbus die politische Krise um das Emirat Katar im Nahen Osten. Die Region stehe bei Airbus für 13 Prozent des Auftragsbuchs, sagte Leahy. Zahlreiche Nachbarstaaten haben die Beziehungen zu dem Land abgebrochen. Die staatliche Fluglinie Qatar Airways – eine Grosskundin von Airbus – muss beträchtliche Umwege fliegen, um ihre Heimat und das Drehkreuz in Doha anzusteuern. (awp/mc/ps)