Toulouse – Der europäische Flugzeugbauer Airbus sitzt trotz einer Rekordproduktion im Jahr 2016 auf so dicken Auftragsbüchern wie nie zuvor. «Wir müssen jetzt die Maschinen bauen, für die wir schon Aufträge haben, statt immer mehr neue Bestellungen hereinzuholen», sagte Airbus-Verkaufschef John Leahy am Mittwoch in Toulouse. Wünschen würde er sich dagegen neue Aufträge für den kaum noch gefragten, weltgrössten Passagierjet A380. «Die Zeit der A380 wird kommen», zeigte sich Leahy überzeugt. Konkrete Prognosen wagte er aber nicht.
Beim Ringen um Neuaufträge liess Airbus seinen US-Rivalen Boeing 2016 erneut hinter sich. Nach Abzug von Stornierungen standen unter dem Strich Bestellungen für 731 Verkehrsflugzeuge, 63 mehr als bei den Amerikanern. Im Vorjahr hatte Airbus mit über 1000 Neubestellungen noch weitaus besser abgeschnitten. Dennoch wuchs der Auftragsbestand nun bis Ende 2016 weiter auf 6874 zu bauende Flugzeuge.
Boeing dank Dreamliner weiter die Nr. 1
Den Titel des weltgrössten Flugzeugbauers konnten die Europäer Boeing aber weiterhin nicht streitig machen. So lieferte Airbus 2016 insgesamt 688 Flugzeuge aus – 53 mehr als im Vorjahr und 18 mehr als sich das Management zuletzt mindestens vorgenommen hatte. Konkurrent Boeing hatte mit 748 ausgelieferten Verkehrsjets die Nase weiterhin vorn. Dabei profitierten die Amerikaner vom Erfolg ihres Langstreckenjets 787 «Dreamliner», der früher an den Start gegangen war als Airbus› Konkurrenzmodell A350.
Bei seinen Plänen für 2017 blieb Airbus-Verkehrsflugzeugchef Fabrice Brégier vorsichtig. So soll die Produktion zwar auf mehr als 700 Verkehrsjets wachsen. Das bisher übliche Ziel, stets mehr Aufträge hereinzuholen, als abgearbeitet werden, hat der Manager allerdings nicht mehr im Auge. Genaueres zu den Zielen soll es bei der Bilanzvorlage des Airbus-Konzerns am 22. Februar geben.
300 Bestellungen alleine im Dezember
Das abgelaufene Jahr hatte den Mitarbeitern in der Produktion und dem Verkaufsteam von Airbus einen intensiven Schlussspurt abverlangt. «Wir waren zwischen Weihnachten und Neujahr sehr beschäftigt», sagte Verkaufschef Leahy. Mehr als 300 Bestellungen habe sein Team erst im Dezember fix gemacht. Dazu zählte auch der Deal über 100 Jets für den Iran. Die erste Maschine vom Typ A321 wird an diesem Mittwoch an die staatliche Fluggesellschaft Iran Air ausgeliefert. Was der Antritt von Donald Trump als US-Präsident für die Geschäfte mit dem Iran bedeuten könnte, darüber wollte Brégier nicht spekulieren. Sollte Trump den Atom-Deal mit dem Iran kippen, stünden auch die jüngsten Handelserleichterungen für das Land wieder in Frage.
In der Produktion machten Airbus 2016 Probleme mit Zulieferern zu schaffen. Daher konnte der Konzern die Produktion seines modernisierten Mittelstreckenjets A320neo wegen Triebwerksproblemen nicht so schnell hochfahren wie geplant. Beim jüngsten Langstrecken-Modell A350 kamen Zulieferer bei der Kabinenausstattung nicht nach. Trotzdem erreichte Airbus mit 49 ausgelieferten A350 fast sein zuvor gesetztes Ziel von 50 Maschinen. Von der A320-Familie einschliesslich der «neos» wurden 545 Maschinen fertig. Der Rest entfiel auf 66 A330-Langstreckenjets und 28 Exemplare der A380.
Spiel auf Zeit bei A380
Die A380-Produktion will Airbus nun noch früher als geplant in Richtung 12 Maschinen pro Jahr herunterfahren und hat dazu einen Auftrag der arabischen Grosskundin Emirates zeitlich gestreckt. Der Flugzeugbauer spielt damit auf Zeit. Er will die Produktion nicht mangels Aufträgen schliessen müssen und hofft auf neue Aufträge in einigen Jahren. «Der Flugverkehr wird sich in den nächsten 15 Jahren verdoppeln», sagte Leahy. Weil die Flughäfen nicht in diesem Masse mitwachsen könnten, blieben nur grössere Flugzeuge, um das steigende Passagieraufkommen zu bewältigen.
Für die Zukunft des Fliegers baut Brégier weiterhin auf Emirates. «Wir sind froh, dass wir so einen starken Unterstützer der A380 haben, der auch Erstkunde einer A380neo werden will.» Ob und wann diese «neo» genannte Neuauflage mit sparsameren Triebwerken kommt, liessen die Airbus-Manager weiterhin offen. Leahy verwies darauf, dass sich der Kauf sparsamerer Flugzeuge für Airlines bei einem Ölpreis von 100 Dollar viel schneller rechne als bei einem Preis von 50 Dollar wie derzeit. (awp/mc/pg)