Amazon forciert Aufbau eigener Zustelldienste in den USA
Seattle – Der Online-Händler Amazon wildert immer deutlicher im Revier seiner eigenen Zusteller. In den USA forciert der Konzern nun den Ausbau eines eigenen Zustelldienstes. Amazon forderte Unternehmer in einer Mitteilung vom Donnerstag zur Gründung kleinerer Lieferfirmen auf, die dann bis zu 40 Fahrzeuge mit Amazon-Logo betreiben sollten.
Amazon verspricht den neuen Lieferdiensten «aktive Starthilfe» und einen operativen Gewinn von jährlich bis zu 300’000 US-Dollar. Mit der Zeit will Amazon so nach eigenen Angaben «hunderte» kleine Lieferfirmen gewinnen. Der Konzern argumentiert derzeit, die wachsende Zahl der Paketzustellungen zwinge ihn zum Aufbau des eigenen Lieferdienstes, da die etablierten Zusteller FedEx, UPS und die US-Post mit dem steigenden Aufkommen nicht mehr Schritt halten könnten.
Über 1 Milliarde Lieferungen allein in den USA
Schätzungen von Analysten zufolge überstieg die Zahl der Lieferungen in den USA im vergangenen Jahr die Marke von einer Milliarde. Laut «Wall Street Journal» entfallen von 10 Dollar, die Online-Konsumenten ausgeben, im Schnitt mehr als 4 Dollar auf Bestellungen bei Amazon.
Kunde und Rivale zugleich
Auch in Deutschland hat Amazon bereits eigene Auftragszusteller am Start. Die geplante Ausweitung des Amazon-Lieferdienstes wird vor allem als Bedrohung für das Paketgeschäft der Deutschen Post gesehen – deren wichtigster Grosskunde Amazon ist. Da Amazon in der Regel Neuerungen im eigenen Land ausprobiert, bevor es diese dann über die Grenzen der USA hinausträgt, könnten die neuen Pläne in den USA die Postmanager in Bonn womöglich hellhörig machen. Die Deutsche Post hatte erst kürzlich wegen Problemen in ihrem Brief- und Paketgeschäft eine Gewinnwarnung für das laufende Jahr ausgegeben. Einer der Gründe hierfür liegt Zeitungsberichten zufolge bei Amazon selbst. Denn der US-Riese ist Kunde und Rivale zugleich – der Post gingen durch Amazon-eigene Zustelldienste Millionen-Umsätze verloren, zudem setze Amazon durch das Umschwenken auf Zusteller wie Hermes den Bonner Logistikkonzern preislich unter Druck, hiess es.
Pillen von Amazon
Am Donnerstag vermeldete Amazon ausserdem die Übernahme der amerikanischen Online-Apotheke PillPack. PillPack spezialisiert sich auf die Betreuung von Patienten, die Arzneimittel auf Rezept bekommen: Die Firma stellt die Medikamente zusammen, organisiert den Versand und sorgt auch für Nachschub bei chronischen Erkrankungen. Amazon nannte am Donnerstag keinen Kaufpreis.
Der weltgrösste Online-Händler war wohl nicht der einzige Interessent: Im April hatte der Fernsehsender CNBC berichtet, PillPack stehe vor der Übernahme durch den Supermarkt-Riesen Wal-Mart. Der Preis liege unterhalb der Marke von einer Milliarde Dollar, hiess es damals unter Berufung auf informierte Personen. Wal-Mart baut gerade massiv sein Online-Geschäft aus, um Amazon Paroli zu bieten.
An der Börse wurde der Zukauf als Beginn einer Attacke von Amazon auf den Apotheken-Markt in den USA aufgenommen. Die Aktien der grossen Drogerie-Ketten, die auch als Apotheken agieren, brachen ein. Die Papiere von Walgreens und CVS verloren zum Handelsstart am Donnerstag gut neun Prozent, der Kurs von Rite Aid sackte sogar um rund 13 Prozent ab. (awp/mc/pg)