Le Bourget – Auf der Pariser Luftfahrtmesse hat Airbus mit seinem neuen Langstreckenjet A321XLR seinen Rivalen Boeing bei den Aufträgen wieder überholt. Von Montag bis Mittwoch sammelte der europäische Flugzeugbauer auf der weltgrössten Branchenmesse in Le Bourget bei Paris insgesamt Bestellungen und Vorverträge über 293 zusätzliche Flugzeuge ein.
Zudem schrieben Airlines bestehende Aufträge auf den kleinen Langstreckenjet A321XLR um, der Flüge etwa von Europa nach Amerika bewältigen kann – und solche Verbindungen dank eines geringeren Spritverbrauchs auch zwischen kleineren Flughäfen rentabel machen soll.
Über 200 Verträge für neuen Langstreckenjet
Nachdem Airbus den Bau des Jets erst am Montag angekündigt hatte, lagen am Mittwoch bereits mehr oder weniger verbindliche Verträge über 206 Maschinen des Typs vor. Grösster Abnehmer ist ausgerechnet die weltgrösste Fluggesellschaft American Airlines aus den USA – die mit dem Airbus A321XLR voraussichtlich auch alte Boeing-Jets vom Typ 757 ersetzen will.
Neben American Airlines sind auch die Billigflieger Wizz Air aus Ungarn, Frontier aus den USA und Jetsmart aus Chile scharf auf den Jet. Gemeinsam wollen sie 50 A321XLR kaufen, wie Airbus und der US-amerikanische Airline-Investor Indigo Partners mitteilten. Indigo Partners – der nichts mit der indischen Fluglinie Indigo zu tun hat – hat sich auf Beteiligungen an Billigfluggesellschaften spezialisiert und hält grosse Anteile an Wizz Air, Frontier und Jetsmart. Durch gemeinsame Grossaufträge erreichen die Airlines beim Flugzeugkauf in eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber dem Hersteller.
Weitere 36 Maschinen der Reihe bestellte die australische Fluggesellschaft Qantas. Der Konzern und seine Billigtochter Jetstar planen, den Flieger im Punkt-zu-Punkt-Verkehr in Australien, Asien und dem Pazifik-Raum einzusetzen.
Boeing 737 Max trotz weltweitem Startverbot gefragt
Doch auch der bisher weltgrösste Flugzeugbauer Boeing konnte auf der Messe punkten – trotz des weltweiten Startverbots für seinen bisher meistbestellten Flugzeugtyp 737 Max. Insgesamt sammelte der US-Konzern bisher Bestellungen und Vorverträge über 272 Passagier- und Frachtmaschinen ein. Am Dienstag hatte der Mutterkonzern von British Airways, die International Airlines Group (IAG), mit seiner erklärten Kaufabsicht für 200 Exemplare der «Max» die Messebesucher überrascht.
Laut Preisliste hätten die 200 Max-Maschinen einen Gesamtwert von rund 24 Milliarden US-Dollar (21,4 Mrd Euro). Allerdings sind bei Flugzeugbestellungen immense Rabatte üblich, die sich durchaus auf 50 Prozent belaufen können. Vor allem auf wenig gefragte Modelle und Neuentwicklungen, bei denen der Käufer die Kinderkrankheiten mit ausbaden muss, gibt es hohe Nachlässe.
Wann geht die Boeing 737 Max wieder in die Luft?
Noch ist völlig offen, wann die Luftfahrtbehörden in aller Welt wieder Flüge mit der Boeing 737 Max erlauben. Boeing hat ein Update für die Steuerungssoftware MCAS des Fliegers entwickelt, die für die Unglücke bei den Fluggesellschaften Lion Air im Herbst und Ethiopian Airlines im März mitverantwortlich gewesen sein sollen. Bei den Abstürzen waren insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen.
Boeing-Chef Dennis Muilenburg wagte auf der Messe keine konkrete Prognose, wann die Behörden das Startverbot wieder aufheben. Er zeigte sich lediglich zuversichtlich, dass das noch 2019 der Fall sein wird. IAG-Chef Willie Walsh, der früher selbst als Pilot das Max-Vorgängermodell 737 geflogen war, sprach Boeing und dem Jet sein Vertrauen aus. «Wenn Sie mich fragen: Ich würde schon morgen in eine ‹Max› einsteigen», sagte er in Le Bourget.
Deutliche Treibstoffersparnis beim A321XLR
Unterdessen setzt Airbus den Rivalen Boeing mit dem Langstreckenjet A321XLR weiter unter Druck. Das Flugzeug soll bis zu 244 Passagiere fassen und dank eines grossen Zusatztanks eine Reichweite von 8700 Kilometern haben. «Verglichen mit bisherigen Flugzeugen wie der Boeing 757, die solche Strecken typischerweise fliegen, spart die A321XLR rund 30 Prozent an Treibstoff und CO2-Ausstoss ein», sagte Airbus-Verkaufschef Christian Scherer.
Der Rumpf der A321XLR ist so gross wie derjenige anderer Mittelstreckenjets – mit einem Gang in der Mitte der Kabine und auf jeder Seite jeweils drei Sitzen nebeneinander in der Economy Class. Auf Kurz- und Mittelstreckenflügen sind diese Flugzeugtypen Standard, der Grossteil der Airline-Flotten besteht in diesem Bereich heute aus Boeings 737-Reihe und der Airbus-Modellfamilie A320.
Airbus will Boeing-Neuentwicklung zuvorkommen
Die längere, aus den 1980er-Jahren stammende Boeing 757, die auch längere Strecken bewältigen kann, wird hingegen längst nicht mehr gebaut. Mit der A321XLR will Airbus einer möglichen Neuentwicklung von Boeing zuvorkommen. Denn der US-Konzern will die Lücke zwischen den kleineren Mittelstreckenjets wie der 737 und den grossen Langstreckenjets wie dem «Dreamliner» (Boeing 787) mit einer kompletten Neuentwicklung füllen.
Das «New Midsize Aircraft» (NMA) soll 2025 fertig sein, doch die Entwicklung ist noch nicht beschlossene Sache – zumal Boeing mit der Krise um die 737 Max derzeit Dringenderes zu tun hat. Airbus will seine A321XLR unterdessen schon im Jahr 2023 erstmals ausliefern haben.
Auf der Messe schlug Boeing am Mittwoch vor allem Frachtflugzeuge los. Die Fluggesellschaft ASL aus Dublin will 20 kleine Frachter auf Basis einer älteren Version der Boeing 737 kaufen, die von dem Flugverbot nicht betroffen ist. China Airlines aus Taiwan und Qatar Airways unterzeichneten Vorverträge über insgesamt bis zu elf grosse Frachtjets vom Typ Boeing 777. Und Turkmenistan Airlines kündigte den Kauf eines Langstrecken-Passagierjets aus dieser Reihe an. (awp/mc/pg)