Brüssel – Apple droht nach einer Entscheidung der EU-Kommission eine beispiellose Steuernachzahlung von mehr als 13 Milliarden Euro. Der iPhone-Konzern habe in Irland unerlaubte Steuervergünstigungen in dieser Höhe erhalten, entschieden die europäischen Wettbewerbshüter. Irland müsse die rechtswidrige Beihilfe für die Jahre 2003 bis 2014 nun plus Zinsen zurückfordern. Apple und Irland wollen sich gegen die Entscheidung wehren.
Apple habe in Irland über viele Jahre erheblich weniger Steuern zahlen müssen als andere Unternehmen, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Dienstag in Brüssel. Die Entscheidung solle eine klare Botschaft senden, dass Staaten einzelne Unternehmen nicht bevorzugen dürften.
0,005 Prozent Steuern
Die Kommission argumentiert, als Folge der Vereinbarungen in Irland habe der Konzern auf die Gewinne der Handelstochter Apple Sales International einen effektiven Körperschaftsteuersatz gezahlt, der von einem Prozent im Jahr 2003 auf 0,005 Prozent im Jahr 2014 gesunken sei. «Das ist eine komplett aus der Luft gegriffene Zahl», kritisierte Apple-Finanzchef Luca Maestri anschliessend. Apple Sales International ist der offizielle Verkäufer aus Asien eingeführter Apple-Geräte in Europa, Afrika, dem Nahen Osten und Indien.
Bei den Steuerdeals sei für zwei Tochterfirmen in Irland eine Methode zur Berechnung der steuerpflichtigen Gewinne gebilligt worden, «die nicht der wirtschaftlichen Realität entsprach», erklärte Vestager. Nahezu die gesamten im Verkaufsbereich erwirtschafteten Gewinne seien intern einem «Verwaltungssitz» zugewiesen worden. Die Prüfung der Kommission habe jedoch ergeben, dass diese «Verwaltungssitze» nur auf dem Papier bestanden hätten.
Apple kontert
Apple kontert, damit seien Bereiche in den USA gemeint, unter anderem Forschungsabteilungen und in vielen Fällen die Firmenzentrale in Cupertino. «Was sich an diesen Verwaltungssitzen befindet, sind die Kronjuwelen», sagte Chefjurist Bruce Sewell in einer Telefonkonferenz. Die Kommission habe das bewusst ignoriert und das Verfahren sei «grob unfair» gewesen. «Natürlich werden wir in Berufung», kündigte Sewell an. «Das wird sich voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen.»
Auch die irische Regierung widersprach dem Vorwurf. «Irland hat Apple keine Steuervorteile gewährt», hiess es in einer Stellungnahme am Dienstag. Sämtliche fällige Steuern seien bezahlt worden und es seien keine unerlaubten staatlichen Beihilfen gewährt worden. Der Bescheid der Brüsseler Behörde solle nun im Detail geprüft werden, um einen gerichtlichen Einspruch vorzubereiten. «Es ist nicht angebracht, dass EU-Beihilfevorschriften in dieser beispiellosen Art und Weise genutzt werden», kritisierten die Iren. Steuern seien Sache der einzelnen EU-Staaten.
Apple sitzt auf Milliardenreserven
Apple lässt bereits seit Jahrzehnten einen erheblichen Teil des weltweiten Geschäfts über Tochterunternehmen in Irland laufen, die Struktur gibt es seit 1980. Bisherige Expertenschätzungen für die Steuernachzahlungen reichten von einigen hundert Millionen bis hin zu 19 Milliarden Dollar, die die Bank JP Morgan als möglichen Höchstwert errechnete.
Apple sitzt auf Geldreserven von aktuell gut 230 Milliarden Dollar. Über 90 Prozent davon lagern ausserhalb der USA, zu grossen Teilen auch in Irland. Anleger nahmen die Entscheidung gelassen auf: Die Apple-Aktie gab vorbörslich lediglich um gut ein Prozent nach.
Ermittlungen gegen Irland
Die EU-Kommission ermittelte nur gegen Irland, aber letztlich wird Apple zur Kasse gebeten, um den für eine illegale Beihilfe erklärten Betrag zurückzuzahlen. Vestager betonte zugleich, dass einzelne EU-Regierungen nach Analyse der Kommissionsentscheidung ebenfalls Nachzahlungen von Apple fordern könnten, wenn sie der Meinung seien, dass in ihren Ländern zu wenig Steuern gezahlt worden seien. Solche Zahlungen würden dann den in Irland fehlenden Betrag reduzieren. Es handele sich nicht um Strafen, sondern nur um eine reine Nachzahlung, betonte Vestager. Die Kommission berücksichtigte nur den Zeitraum ab 2003, weil erst 2013 die ersten Ermittlungen angestrengt worden seien und Beihilfen ab diesem Punkt nur für ein Jahrzehnt zurückgefordert werden können.
Der bisher höchste Betrag in solchen Untersuchungen wurde vom französischen Energiekonzern EDF zurückgefordert, der 2015 angewiesen wurde, rund 1,4 Milliarden Euro an Frankreich zu zahlen. Die ursprüngliche Entscheidung über einen Betrag von 889 Millionen Euro hatte die Kommission noch 2003 getroffen, danach ging der Fall durch Gerichtsinstanzen und es sammelten sich rund 490 Millionen Euro Zinsen an. Das zeigt auch, wie lange es dauern kann, bis schliesslich Geld fliesst. (awp/mc/pg)