Luxemburg – Rapide gestiegene Kosten für Koks und neuerlicher Preisdruck in den USA bremsen die Erholung des weltgrössten Stahlherstellers ArcelorMittal. Das Unternehmen erwartet nun für das Schlussquartal eine schwächere Profitabilität als im dritten Jahresviertel. «Der heftige Anstieg der Preise für Kokskohle hat uns alle überrascht», sagte Finanzvorstand Aditya Mittal am Dienstag. Der Konzern versuche die höheren Kosten nun an seine Kunden weiterzugeben. Dies werde aber erst mit Verzögerung gelingen.
ArcelorMittal-Aktien gingen auf Talfahrt. Bis zum Mittag verloren sie fast sieben Prozent an Wert. Seit Jahresbeginn haben sie aber immer noch fast 90 Prozent gewonnen. Im Sog von ArcelorMittal verloren auch die Aktien der deutschen Stahlunternehmen Thyssenkrupp und Salzgitter.
Im dritten Quartal hielten sich die Folgen der höheren Rohstoffkosten bei ArcelorMittal noch in Grenzen. Der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) kletterte dank höherer Stahlpreise und Kosteneinsparungen verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um gut 40 Prozent auf 1,9 Milliarden US-Dollar. Das ist das beste Ergebnis seit gut zwei Jahren. Der Umsatz ging hingegen wegen eines niedrigeren Absatzes um sieben Prozent auf 14,5 Milliarden Dollar zurück. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 680 Millionen Dollar, nachdem vor einem Jahr ein Verlust von 711 Millionen Dollar zusammengekommen war.
Damals hatte sich die Lage für die von Überkapazitäten und hohen Preisdruck gebeutelte Branche dramatisch verschärft, als China angesichts der Wirtschaftsabkühlung im eigenen Land dazu überging, seine eigene Überproduktion zu Billigpreisen auf den Weltmarkt zu werfen. In den vergangenen vier Jahren schrieb ArcelorMittal jeweils rote Zahlen, 2015 allein kam ein Rekordverlust von fast acht Milliarden Dollar zusammen.
Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt. Dazu trugen auch Einfuhrzölle in Europa und den USA bei. So haben sich in Europa die Stahlpreise seit Jahresbeginn um knapp 50 Prozent erholt.
Hohe Kokspreise
Nun ziehen aber auch die Kokspreise mächtig an. Das trifft ArcelorMittal stark, weil der Konzern anders als bei Eisenerz kaum eigene Kohle fördert. Für die aktuelle Verdreifachung der Preise machte Finanzvorstand Mittal vor allem die staatlich verordnete Förderkürzung in China verantwortlich, mit der das Land auf den langen Preisverfall reagierte.
Ein ähnlich konsequentes Vorgehen wünsche er sich bei der Überproduktion im Stahlbereich von der Regierung in Peking, sagte Mittal. «Sie beweist, dass sie die richtigen Werkzeuge hat, doch in der Stahlindustrie haben wir noch nicht die gleichen Aktivitäten gesehen.» Stattdessen versuche China weiter, den Stahl zu Dumpingangeboten auf den Weltmarkt zu werfen.
Mittal forderte erneut einen umfassenden Schutz vor solchen seiner Ansicht nach «unfairen» Importen in Europa und Nordamerika. Die beschlossenen Schutzzölle gingen zwar in die richtige Richtung, reichten aber noch nicht aus. So versuche China etwa derzeit, US-Importbeschränkungen über den Umweg Vietnam zu umgehen. Dies habe die Preiserholung in den USA gestoppt.
Den Schuldenabbau trieb ArcelorMittal weiter voran. Die Verbindlichkeiten sanken von Ende Juni bis Ende September um 500 Millionen auf 12,2 Milliarden Dollar. Das lag auch an gedrosselten Investitionen. Für das Gesamtjahr erwartet das Unternehmen erstmals seit langem wieder, im laufenden Geschäft mehr einzunehmen als für Investitionen auszugeben. Um sich neue Spielräume zu verschaffen, hatte der Konzern im Frühjahr bei einer Kapitalerhöhung drei Milliarden Dollar erlöst. (awp/mc/ps)