Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: European Union 2014 – European Parliament)
Brüssel – Vor dem ersten Deutschland-Besuch von Ministerpräsident Alexis Tsipras an diesem Montag hat das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland konkrete Reformschritte eingeleitet. Um die leere Staatskasse aufzufüllen, geht das Euro-Krisenland auf säumige Steuerzahler zu. Allerdings gibt es auch neue Hiobsbotschaften. Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (FAS) verfügt die griechische Regierung nur noch bis zum 8. April über genügend Liquidität.
Das griechische Parlament beschloss in der Nacht zum Samstag erhebliche Erleichterungen für Personen und Unternehmen, die mit ihren Steuern und Zahlungen an Sozialkassen in Rückstand geraten sind. Steuerzahlern, die noch im März ihre Schulden begleichen, werden Bussgelder und Verzugszinsen erlassen, auch sind zeitlich gestreckte Ratenzahlungen möglich. Athen will damit Steuerschuldner doch noch bewegen zu zahlen und hofft auf zusätzliche Einnahmen von bis zu 8,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Laut Finanzministerium schulden rund 3,7 Millionen Griechen und 447’000 Unternehmen dem Staat etwa 76 Milliarden Euro.
Tsipras am Montag bei Merkel
Das Eintreiben von Steuern gehört zu den Kernforderungen der internationalen Geldgeber. Auch beim ersten offiziellen Besuch von Tsipras in Berlin dürfte dies ein Thema sein. Der Chef des Linksbündnisses Syriza spricht am Montag mit Merkel, der er zuletzt zweimal in Brüssel begegnete. Tsipras spricht ausserdem mit der Partei- und Fraktionsspitze der Linkspartei. Vor dem Besuch forderten Politiker von Union und SPD mehr Reformwillen von Griechenland, die Grünen Kompromissbereitschaft und Sachlichkeit in Berlin und Athen.
Stimmung etwas verbessert
Die von Linken und Rechtspopulisten getragene Regierung in Athen hatte die Euro-Partner bei ihren Rettungsbemühungen in den letzten Monaten auf eine harte Probe gestellt. Sie machte vor allem Merkel und den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble für ein Spardiktat verantwortlich, das vor allem ärmere Menschen treffe.
Beim EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag hatte sich die stark getrübte Stimmung etwas verbessert: Die Europartner sicherten Athen zu, so rasch wie möglich die dringend benötigten Milliardenkredite zu überweisen. Im Gegenzug will Tsipras in den nächsten Tage eine neue Liste mit Reformvorschlägen vorlegen. Damit erhält Athen nach wochenlangem Streit eine letzte Chance, den drohenden Bankrott abzuwenden und damit in der Eurozone zu bleiben.
Liquidität nur bis zum 8. April gesichert
Griechenlands Regierung soll nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» nur noch bis 8. April ausreichend liquide sein. Das gehe aus internen Berechnungen der EU-Kommission hervor, berichtete das Blatt unter Berufung auf Diplomaten. Vom 9. April an werde die Finanzsituation des Landes in der EU-Kommission als «kritisch» eingestuft. Athen müsse dann 467 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Mitte April müssten ausserdem kurzfristige Staatsanleihen im Wert von 2,4 Milliarden Euro refinanziert werden.
Kommissionskreise widersprachen dem Zeithorizont Anfang April nicht. Das sei schon länger bekannt, hiess es am Sonntag in Brüssel. Es fehle aber ein umfassender Überblick, da die Fachleute der Geldgeber in Athen vor dem EU-Gipfel nicht arbeiten konnten.
Ministerpräsident Tsipras bleiben damit gut zwei Wochen Zeit, um mit den internationalen Geldgebern eine vollständige Reformliste abzustimmen. Erst danach kann Geld aus der letzten noch ausstehenden Kredittranche von 7,2 Milliarden Euro fliessen. Bereits am Rande des EU-Gipfels war die Rede davon, das dass Geld in der Staatskasse nur noch bis Anfang April reichen könnte. Athen erklärte sich bereit, sofort nach der Gipfel-Vereinbarung bereit, wieder Kontrollen der Geldgeber-Institutionen IWF, EU-Kommission und Europäische Zentralbank zuzulassen.
Zeitung erhebt Korruptionsvorwürfe gegen griechischen Minister
In Griechenland gibt es derweil Korruptionsvorwürfe gegen ein Regierungsmitglied. Nach einem Bericht der Athener Sonntagszeitung “To Vima” soll Vize-Innenminister Giorgos Katrougalos als Anwalt entlassene Beamte vertreten haben, deren Wiedereinstellung er als Minister angekündigt hat. Das Blatt veröffentlichte Dokumente, aus denen hervorgehen soll, dass die Kanzlei von Katrougalos noch am 27. Januar – dem Tag, an dem er das Ressort für Verwaltungsreform übernahm – solche Verträge unterzeichnet hat. Als Honorar seien zwölf Prozent des Streitwerts vereinbart worden.
Die Vorabveröffentlichung am Samstag sorgte in Athen für erheblichen Wirbel. Die Opposition forderte den Rücktritt des Ministers. In einer Mitteilung und später in einer Pressekonferenz wies Katrougalos die Vorwürfe zurück und versuchte, die Wellen zu glätten. Er habe seine Anwaltstätigkeit bereits im vergangenen Sommer aufgegeben, nachdem er ins Europaparlament gewählt wurde. Das von “To Vima” veröffentlichte Dokument betreffe keinen entlassenen Beamten, es sei vielmehr um Lohndifferenzen gegangen. “Wenn das alles stimmen würde, müsste ich nicht nur zurücktreten, sondern das Land verlassen oder mich umbringen”, sagte Katrougalos.
Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras stellte sich demonstrativ hinter den stellvertretenden Innenminister. Regierungskreise sprachen von Lügen, die die Zeitung verbreite. Korruptionsbekämpfung ist eines der erklärten Ziele der Regierung. (awp/mc/pg)