Stockholm – Nach Nizza und Berlin nun Stockholm: In der schwedischen Hauptstadt ist ein Mann mit einem Lastwagen in eine Menge gerast und hat mindestens vier Menschen getötet. Etliche weitere wurden verletzt. Ministerpräsident Stefan Löfven sagte im schwedischen Fernsehen, alles deute auf eine Terrortat hin: «Schweden ist angegriffen worden.» Der Täter konnte zunächst flüchten. Am Abend wurde eine Person festgenommen, bei der es sich gemäss Polizeiangaben um den mutmasslichen Fahrer des LKW handeln soll. Weltweit reagierten Politiker mit Bestürzung auf den Angriff.
Der von dem Täter offensichtlich gekaperte Lastwagen war kurz vor 15.00 Uhr an der Kreuzung der beiden Einkaufsstrassen Drottninggatan und Kungsgatan in eine Menschenmenge gerast. Anschliessend fuhr er in ein Kaufhaus. Nach Medienberichten wurden vier Menschen getötet. Mindestens 15 weitere wurden verletzt, wie der Chefarzt des Karolinska-Instituts bei Stockholm dem Sender Radio Schweden sagte. Neun von ihnen seien schwer verletzt worden.
Erinnerungen an Berlin und Nizza
Der mutmassliche Anschlag weckt Erinnerungen an die Terrorattacken von Berlin und Nizza. Kurz vor Weihnachten 2016 hatte der 24-jährige Tunesier Anis Amri einen gekaperten Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gelenkt und zwölf Menschen getötet. Im Juli 2016 raste der 31 Jahre alte Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel mit einem Lkw auf dem Strandboulevard in Nizza in eine Menschenmenge. 86 Menschen starben. Die Terrormiliz IS reklamierte beide Anschläge für sich.
«Ich habe Menschen gesehen, die mit einer Decke abgedeckt wurden», sagte eine Augenzeugin. Fernsehbilder zeigten, wie Menschen von der Strasse flüchteten. «Viele um mich herum waren hysterisch», erzählte eine Augenzeugin im Fernsehen. Kunden eines Modegeschäfts mussten aus Sicherheitsgründen in dem Laden bleiben.
Something’s happening on Drottninggatan and around Stockholm. pic.twitter.com/YPbrZSe5Mb
— Johnny Chadda (@johnnychadda) April 7, 2017
Der Lastwagen gehört Medienberichten zufolge der Brauerei Spendrups. Ein Sprecher sagte einem Radiosender, der Fahrer habe gerade ein Restaurant beliefern wollen. Er habe hinten am Laster gestanden, um ihn aufzuschliessen, als ein Maskierter vorne in die Fahrerkabine gesprungen und weggefahren sei. Der Brauerei-Fahrer habe vergeblich versucht, den Mann zu stoppen.
Die Polizei rief die Bevölkerung auf, nicht ins Zentrum der schwedischen Hauptstadt zu fahren. Die Sicherheitskräfte zeigten erhöhte Präsenz und bewachten besonders gefährdete Plätze im ganzen Land. «Es ist wichtig für uns, eventuelle weitere Angriffe zu verhindern», sagte ein Polizeisprecher. Medienberichte über Schüsse an verschiedenen Plätzen der Stadt bestätigten die Ermittler nicht.
Wichtige Gebäude abgeriegelt
Die Sicherheitskräfte riegelten wichtige Gebäude in der Innenstadt ab, darunter den Gebäudekomplex Rosenbad, Sitz der schwedischen Regierung, das Parlamentsgebäude und das Königsschloss. Die schwedische Regierung wollte noch am Abend zusammenkommen. Auch die Züge im Stockholmer Zentrum standen zwischenzeitlich still. Einige U-Bahnen fuhren am späten Abend sehr eingeschränkt wieder. Alle Kinos und viele Theater in Stockholm und Umgebung stellten ihr Abendprogramm ein.
Die Einkaufsstrasse Drottninggatan war bereits im Dezember 2010 Ort eines Anschlags gewesen. Damals explodierte dort ein Auto, während sich fast zur gleichen Zeit an einer anderen Strasse im Zentrum Stockholms ein 28-jähriger Schwede irakischer Abstammung in die Luft sprengte. Zwei Passanten wurden leicht verletzt.
Die Bundesregierung versicherte der schwedischen Bevölkerung ihre Solidarität. «Wir stehen zusammen gegen den Terror», erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte erschüttert. UN-Chef António Guterres verurteilte den mutmasslichen Anschlag: «Die Vereinten Nationen stehen solidarisch mit dem Volk und der Regierung von Schweden.»
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in Brüssel: «Ein Angriff auf einen unserer Mitgliedsstaaten ist ein Angriff auf uns alle.» Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte: «Die Nachrichten, die aus Stockholm kommen, sind schrecklich.»
Russlands Präsident Wladimir Putin sprach Schweden sein tiefes Mitgefühl aus: «In unserem Land kennen wir die Grausamkeiten des internationalen Terrorismus nicht nur vom Hörensagen», hiess es in einem Schreiben Putins an den schwedischen König Carl XVI. Gustaf.
Das Auswärtige Amt riet Reisenden, vorerst in ihren Unterkünften zu bleiben. Sie sollten die Entwicklung der Lage über die Medien verfolgen und auf weitere Sicherheitshinweise achten, teilte die Behörde mit. Zudem solle den Anweisungen der Sicherheitskräfte unbedingt Folge geleistet werden.
Facebooks «Sicherheitscheck» aktiviert
Die schwedische Polizei schaltete eine Hotline für besorgte Angehörige frei. Sie können im schwedischen Telefonnetz unter der Nummer 11414 und der Direktwahl 9 die Polizei kontaktieren. Facebook aktivierte seinen «Sicherheitscheck». Nutzer in Stockholm können darüber Freunden mitteilen, dass sie in Sicherheit sind. Der Service war bei Terroranschlägen in den vergangenen Monaten immer wieder aktiviert worden. (awp/mc/upd/ps)