Bayer setzt sich in weiterem Glyphosat-Prozess in den USA durch
Kansas City/Leverkusen – Der Pharma- und Agrarchemie-Konzern Bayer hat in den USA einen weiteren Prozess um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat gewonnen. Die Jury eines Gerichts in Kansas City im Bundesstaat Missouri entschied zugunsten des Dax-Unternehmens und urteilte, dass das Herbizid nicht für die Erkrankung des Klägers Allan Shelton verantwortlich zu machen sei. Bayer begrüsste dies, sprach Shelton aber zugleich Mitgefühl aus.
Bayer hatte 2018 mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto, von dem der umstrittene glyphosathaltige Unkrautvernichter Roundup stammt, hohe rechtliche Risiken übernommen. Der Konzern hat sich in den USA nun zwar bereits in drei Glyphosat-Prozessen in Folge durchgesetzt, zuvor jedoch auch drei Verfahren in Serie verloren. Die Leverkusener sind noch mit zahlreichen weiteren ähnlichen US-Klagen konfrontiert.
Roundup nicht Ursache für Krebserkrankung
Das Urteil der Jury reflektiere die Beweislage, dass Roundup nicht die Ursache für die Krebserkrankung sei, erklärte ein Unternehmenssprecher. «Dieser Schluss entspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen 40 Jahre sowie der Bewertung von Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt, dass Roundup sicher verwendet werden kann und nicht krebserregend ist.»
Wie entscheidet der Supreme Court?
Wichtig für die weitere Entwicklung dieser rechtlichen Grossbaustelle dürfte eine in Kürze erwartete Entscheidung des obersten US-Gerichts über die Annahme eines Falls sein, in dem Bayer 2019 einen Schuldspruch kassiert hatte. Die neun Richter des Supreme Court berieten laut Gerichtsunterlagen am gestrigen Donnerstag darüber. Für gewöhnlich wird das Ergebnis am folgenden Montag bekannt gegeben, eine Veröffentlichung bereits am Freitag ist aber nicht ausgeschlossen.
Im Fall des Klägers Edwin Hardeman wurde der Konzern vor rund drei Jahren zu einer Schadenersatzzahlung von gut 25 Millionen Dollar verurteilt. Auch Hardeman macht glyphosathaltige Unkrautvernichter von Monsanto für seine Krebserkrankung verantwortlich. Bayer hofft, dass der Supreme Court das Urteil überprüft und kippt – was Signalwirkung für die vielen anderen Verfahren hätte. Zuletzt sah es aber nicht danach aus, die US-Regierung riet den Richtern von der Annahme des Falls ab. Das ist zwar nicht bindend für das oberste US-Gericht, macht einen Prozess aber unwahrscheinlich. Zu beachten ist allerdings, dass lediglich vier der neun Richter einer Annahme zustimmen müssen, es also keine Mehrheit braucht.
«Federal Preemption»
In dem Antrag an den Supreme Court argumentiert Bayer mit der sogenannten «Federal Preemption». Der Konzern vertritt also die Ansicht, Schadenersatzansprüche wegen angeblich mangelhafter Warnungen vor Krebsrisiken könnten nach einzelstaatlichem Recht nicht bestehen, wenn sie mit Bundesrecht kollidieren. Zudem ist der Konzern der Meinung, die Zulassung von Experten als Zeugen der Klägerseite habe beim Prozess nicht den bundesrechtlichen Standards entsprochen.
Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder letztlich gegen Bayer entscheidet, hatte der Konzern im vergangenen Sommer zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Mit diesem Geld will das Unternehmen dann ein Programm aufsetzen, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen potenzieller neuer Kläger in den USA umzugehen. Nach Darstellung von Bayer ist Roundup bei sachgemässer Verwendung sicher.
Sollte es aber zu einer Verhandlung kommen und ein Urteil zugunsten des Dax-Konzerns ergehen, könnten die Rückstellungen womöglich teilweise aufgelöst werden. Die Pharma-Experten der Schweizer Grossbank Credit Suisse kalkulieren, dass jede Milliarde Dollar Rückstellungen rund 1,4 Prozent Börsenwert der Bayer-Aktien entsprechen.
Im Fall einer Ablehnung eines Verfahrens würde sich angesichts der bereits erfolgten Rückstellungen für potenzielle Klagen wohl erst einmal nicht viel ändern. Das Risiko künftiger Klagen will Bayer mindern, indem in den USA der Unkrautvernichter Roundup ab 2023 in der Version für private Käufer kein Glyphosat mehr enthalten soll. So stammen die meisten aktuellen Klagen von Privatkonsumenten. Zudem war Bayer bei Vergleichen von Bestandsfällen zuletzt bereits restriktiv, ohnehin sind diese schon zum Grossteil abgearbeitet. Dass der Konzern in dem Shelton-Prozess in Kansas City an diesem Donnerstag gewann, dürfte dieses Vorgehen noch bestärken. (awp/mc/pg)