Marijn Dekkers, Vorstandsvorsitzender Bayer AG. (Foto: Bayer)
Leverkusen – Die Übernahmewelle in der Pharmaindustrie erfasst Deutschland: Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer will das Geschäft mit rezeptfreien Mitteln des US-Konzerns Merck & Co kaufen. Der Preis liege bei 14,2 Milliarden Dollar in bar, teilte der Konzern mit. Das ist der grösste Zukauf seit der Übernahme des Pharmakonzerns Schering 2006 für 17 Milliarden Euro. Die Leverkusener steigen so zur Nummer zwei in diesem Markt auf. Zudem geht Bayer eine strategische Kooperation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dem US-Konzern ein. Dafür soll Bayer von Merck & Co bis zu 2,1 Milliarden Dollar erhalten. Mit einem Abschluss der Transaktion rechnet Bayer im zweiten Halbjahr 2014, wenn die Kartellbehörden den Kauf freigeben.
«Diese Akquisition ist ein bedeutender Meilenstein auf unserem Weg zur angestrebten globalen Marktführerschaft im attraktiven Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln», sagte Bayer-Chef Marijn Dekkers. Darüber hinaus stärke die Kooperation die Entwicklungsmöglichkeiten bei Herz-Kreislauf-Therapien. Den Kauf will Dekkers ohne die Abgabe von Geschäften finanzieren. Auch eine Kapitalerhöhung sei nicht vorgesehen. Der Kaufpreis sei durch eine Zwischenfinanzierung bei Banken gesichert. Diese solle später durch die Ausgabe von Anleihen abgelöst werden.
Bayer steigt nur Nummer 2 am Markt auf
Bereits seit Tagen war über eine entsprechende Transaktion spekuliert worden. Entsprechend verhalten war die Reaktion am Markt. Die Aktie sank zuletzt in einem schwächeren Markt um 0,68 Prozent. Experten bewerteten den Kauf generell als positiv.
Neben dem Bayer-Klassiker, dem Schmerzmittel Aspirin, kommen mit dem Zukauf auch Fusspflegeprodukte (Dr. Scholl’s), Sonnencremes (Coppertone) und Allergiemittel (Claritin) ins Programm. «Wir stärken Umfang und Ertragskraft unseres Consumer-Care-Geschäfts, das schon jetzt hohe Margen und stabile Cashflows erzielt, ganz erheblich», erklärte Dekkers. Er setzt dabei auch auf die geballte Vertriebskraft des Konzerns. Derzeit sind die bisherigen Merck &Co-Produkte vor allem in den USA stark.
Gewaltige Übernahmewelle
Rezeptfreie Mittel sind in der Gesundheitsbranche begehrt. Sie gelten als wichtiger Stabilisator mit geringeren Risiken im Vergleich zum klassischen Pharmageschäft. Der Zukauf soll bereits im ersten Jahr nach Vollzug einen positiven Beitrag zum bereinigten Konzernergebnis leisten. Dekkers rechnet zudem mit signifikanten Steuereinsparungen. In Marketing und Herstellung dürften die Kosten ab 2017 insgesamt ebenfalls deutlich sinken. Entscheidend sei aber die Aussicht auf ein stärkeres Wachstum des Geschäfts, betonte Dekkers.
Rund um den Globus rollt derzeit eine gewaltige Übernahmewelle durch die Pharmaindustrie. Der US-Pharmagigant Pfizer will für 106 Milliarden Dollar den britischen Rivalen AstraZeneca kaufen, stösst damit aber auf Ablehnung. Auch der Botox-Hersteller Allergan wehrt sich gegen die 50-Milliarden-Dollar-Offerte von Valeant. Der kanadische Konzern will die US-Firma zusammen mit dem bekannten US-Investor Bill Ackman schlucken.
Konzerne bündeln Kräfte
Es ist ein Milliardenpoker um die Zukunft in einer Branche, die vor enormen Herausforderungen steht. Denn die Pharmakonzerne sehen sich gleich von mehreren Seiten unter Druck. Die Sparbemühungen vieler Staaten im Gesundheitswesen – etwa in den USA oder Europa – drücken auf die Gewinne. Gleichzeitig macht den Konzernen der Ablauf von Patenten für wichtige Produkte zu schaffen. Manch langjähriger Kassenschlager verliert so praktisch über Nacht stark an Umsatz und Ertragskraft. Ausserdem erweist sich die Entwicklung neuer Medikamente als immer schwieriger. Die Konzerne müssen Milliarden in ihre Forschungen investieren. Geld, das sich zuweilen in Luft auflöst, wenn die Neuentwicklungen die Erwartungen nicht erfüllen. Auch deshalb bündeln die Konzerne ihre Schlagkraft. (awp/mc/pg)