Bayer vorsichtiger für Agrar- und Pharmasparte – Zukunft weiter offen
Leverkusen – Bayer wird für seine beiden grössten Sparten CropScience und Pharma pessimistischer für das laufende Jahr. Bereits im Juli hatte der Dax-Konzern den Jahresausblick gesenkt, dabei aber vor allem auf die nach einem Vorjahresboom mittlerweile deutlich gesunkenen Preise für den Unkrautvernichter Glyphosat verwiesen. Nun zeigt sich, dass auch das Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten schwächelt. Neuigkeiten zur Zukunft des Konzerns unter dem neuen Chef Bill Anderson gab es am Dienstagmorgen indes erst einmal nicht.
Die Senkung des Ausblicks war die erste grössere Massnahme des erst seit Juni amtierenden Anderson. Investoren hoffen, dass er damit erst einmal reinen Tisch gemacht hat. Anderson folgte auf Werner Baumann, der die mehr als 60 Milliarden US-Dollar teure Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto zum Missfallen vieler Investoren durchgeboxt und Bayer damit auch den US-Glyphosatrechtsstreit um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters sowie Spätfolgen der seit Jahrzehnten verbotenen Chemikalie PCB eingebrockt hatte.
Während es mit Blick auf die Glyphosatstreitigkeiten ein ruhiges Quartal gewesen sei, habe es mit Blick auf PCB einige eher negative Entwicklungen gegeben, merkte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research am Dienstag in einer ersten Reaktion an und verwies dabei auf neue Klagen im US-Bundesstaat Vermont.
Von dem ausgewiesenen Pharmaexperten Anderson erhoffen sich Anleger derweil frischen Schwung, nicht nur im Tagesgeschäft. Wenn er sich an diesem Dienstag den Fragen von Analysten stellt, wird es auch um die Zukunft des Konzerns als Ganzes gehen. Schon länger fordern einige Investoren eine Aufspaltung des Konzerns, da sie die US-Rechtsprobleme als Belastung für CropScience sehen und die Bayer-Einzelteile für wertvoller halten als den Konzern als Ganzes.
Allerdings hält Anderson sich bedeckt, lernt das Unternehmen noch kennen. Ein Strategie-Update wird gemeinhin erst gegen Ende des Jahres oder früh im Jahr 2024 erwartet.
Agrarchemie- und Saatgutgeschäft rückläufig erwartet
Mit Blick auf das Tagesgeschäft erwartet Bayer 2023 nun für das Agrarchemie- und Saatgutgeschäft CropScience um Wechselkursveränderungen bereinigt einen um etwa 5 Prozent geringeren Umsatz als im Vorjahr, statt eines Plus von 3 Prozent, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Nach dem ersten Halbjahr steht hier ein Minus von fast 10 Prozent, vor allem weil das Geschäft mit Unkrautvernichtern um mehr ein Drittel rückläufig war.
Auf der Pharmasparte lasteten in den vergangenen Monaten vor allem Umsatzeinbussen beim Blutgerinnungshemmer Xarelto. Für das weiterhin umsatzstärkste Medikament nimmt der Konkurrenzdruck zu, da in verschiedenen Teilen der Erde nach und nach die Patente auslaufen. Zudem schwächelte das Wachstum mit dem zweitwichtigsten Medikament, dem Augenmittel Eylea, auch wegen Preisdrucks.
Für das Pharma-Geschäft insgesamt erwartet Bayer für 2023 nun kein Wachstum mehr, nachdem bislang ein kleines Plus von einem Prozent in Aussicht gestellt worden war. Und auch für das, was als bereinigter Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) übrig bleiben soll, wurde Bayer vorsichtiger.
Margenerwartungen Pharma und CropScience tiefer
In der Pharma-Sparte plant die Unternehmensführung 2023 ohne Währungseffekte mit einer bereinigten operativen Ergebnismarge von etwa 28 Prozent und bei CropScience von etwa 21 Prozent. Bislang hatten die Leverkusener operative Gewinnmargen von leicht über 29 Prozent beziehungsweise 25 bis 26 Prozent avisiert. Den Jahresausblick für die kleinste Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente bestätigte das Unternehmen.
Für den Gesamtkonzern kalkuliert Bayer für 2023 – wie seit Juli bekannt – um Wechselkursveränderungen bereinigt und damit auf Basis der Durchschnittskurse im Vorjahr mit einem Umsatz von 48,5 bis 49,5 Milliarden Euro, statt mit 51 bis 52 Milliarden. Der Konzern gibt die Prognosen wechselkursbereinigt an, um die zugrundeliegende Geschäftsentwicklung besser vergleichbar zu machen.
Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll ohne Währungseffekte im laufenden Jahr 11,3 bis 11,8 Milliarden Euro erreichen. Hier hatten die Leverkusener bislang 12,5 bis 13 Milliarden in Aussicht gestellt. Während der neue Umsatzausblick nur etwas unter der mittleren Analystenschätzung liegt, hinkt die Gewinnprognose deutlicher hinterher.
Q2-Eckdaten bestätigt
Die Eckdaten für das zweite Quartal bestätigte der Konzern am Dienstag ebenfalls. Demnach sank der Umsatz um knapp 14 Prozent auf gut 11,0 Milliarden Euro. Negative Währungseffekte ausgeklammert ergibt sich ein Minus von noch gut 8 Prozent. Der bereinigte operative Gewinn brach um rund ein Viertel auf rund 2,5 Milliarden Euro ein.
Unter dem Strich stand ein Verlust von 1,9 Milliarden Euro, auch weil das trägere Glyphosat-Geschäft eine Firmenwert-Abschreibung in Milliardenhöhe notwendig machte. Das ist nicht die erste deutliche Wertberichtigung, die Bayer auf Monsanto verbuchen musste.
Die Aktien waren im frühen Handel mit minus 0,13 Prozent auf 52,30 Euro kaum bewegt. Für 2023 steht noch ein Plus von gut acht Prozent auf dem Kurszettel. Zum Vergleich: Vor der ersten Niederlage in einem Glyphosat-Verfahren im August 2018 hatte die Papiere gut 93 Euro gekostet. (awp/mc/ps)