Elio Di Rupo, designierter belgischer Ministerpräsident.
Brüssel – In der belgischen Staatskrise hat der designierte Premierminister Elio Di Rupo detaillierte und weitgehende Reformvorschläge unterbreitet. Der französischsprachige Sozialist stellte das Paket am Montag in Brüssel König Albert II. und dann der Öffentlichkeit vor. Es umfasst sowohl sozialpolitische Massnahmen als auch institutionelle Reformen.
Die neun Parteien aus den Niederländisch und Französisch sprechenden Landesteilen sind nun an der Reihe, sich dazu zu äussern. Belgien ist seit Juni 2010 ohne gewählte Regierung – das ist ein Rekord in Europa. Di Rupo war Mitte Mai vom König mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Das etwa 100-seitige Papier soll als Basis für Verhandlungen dienen – falls Di Rupo mit seinem Vorstoss scheitert, drohen laut politischen Beobachtern Neuwahlen im Herbst.
«Rigoroses Budget»
Bis 2015 will Di Rupo will mit einem «rigorosen Budget» Finanzlücken im Staatshaushalt von 17,5 Milliarden Euro schliessen – insgesamt wird das Loch auf sogar 22 Milliarden Euro geschätzt. Di Rupo will innerhalb von vier Jahren auch 250.000 neue Jobs schaffen. Die Ministergehälter sollen um fünf Prozent schrumpfen. Di Rupo geht zudem mit ehrgeizigen Vorschlägen eine äusserst komplizierte Staatsreform an – das bedeutet mehr Macht für die auseinanderstrebenden Regionen. «Die Regionen sollen (neue) Kompetenzen von 17,3 Milliarden Euro erhalten», sagte Di Rupo. Dabei gehe es um Gelder für den Arbeitsmarkt, die Gesundheitsfürsorge und für Familien.
Aufspaltung des Wahlbezirks Brüssel
Der Wahl- und Gerichtsbezirk Brüssel und Umland soll aufgespalten werden. Damit kommt der Wallone Di Rupo einer seit langem erhobenen Forderung aus Flandern nach. Die Rechte von französischsprachigen Bürgern in sechs flämischen Umlandgemeinden der Hauptstadt sollen aber weiter geschützt werden. Das auf den ersten Blick eher technische Thema, das eng mit dem Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen verwoben ist, vergiftet seit Jahren das politische Klima im Land. Die Staatsreform gilt als Vorbedingung für die Bildung einer Regierung. (awp/mc/ps)