Chat zu Militärplänen – Journalist liest bei Trump-Team mit

Washington – Ein Gruppenchat von Mitgliedern der US-Regierung, in dem ein Journalist anscheinend hochsensible Pläne zu einem Militärangriff im Jemen mitverfolgen konnte, bringt die Trump-Administration in Erklärungsnot. Sicherheits- und Rechtsexperten bezeichneten den mutmasslichen Vorgang als «fahrlässig» und «entsetzlich», CNN sprach von «einer der schockierendsten Indiskretionen im Bereich der nationalen Sicherheit» seit Jahren.
Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, bestätigte, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei. Er kündigte eine interne Prüfung an.
Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, forderte eine umfassende Aufarbeitung – und auch aus den Reihen der Republikaner gab es Kritik. US-Medien warfen die Frage auf, ob der Vorgang zu personellen Konsequenzen führt.
Verteidigungsminister: «Niemand hat Kriegspläne getextet»
Verteidigungsminister Pete Hegseth bestritt den «Atlantic»-Bericht später vehement. «Niemand hat Kriegspläne getextet», antwortete er am Flughafen in Hawaii auf eine Reporter-Frage nach seiner Landung. Der frühere TV-Moderator des rechtskonservativen Sender Fox News bezeichnete den Autor und Chefredakteur des renommierten US-Magazins «The Atlantic», Jeffrey Goldberg, als «betrügerischen und diskreditierten sogenannten Journalisten», der es sich zum Beruf gemacht habe, eine Kampagne gegen die Regierung zu fahren und immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten.
US-Präsident Donald Trump erklärte, er habe von dem Gruppenchat noch nicht gehört, sei aber ohnehin «kein grosser Fan» des «Atlantic»-Magazins.
Trumps engster Führungszirkel im Gruppenchat
Teilnehmer der Gruppenunterhaltung über die verschlüsselte Messenger-App Signal sollen unter anderem Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Aussenminister Marco Rubio sowie weitere Kabinettsmitglieder und hochrangige Regierungsbeamte gewesen sein.
Goldberg, war nach eigenen Angaben versehentlich in die Gruppe aufgenommen worden. Demnach hatte ihm ein Signal-Nutzer mit dem Namen von Trumps Nationalem Sicherheitsberater, Michael Waltz, eine Kontaktanfrage geschickt. Wenige Tage später folgte seinen Schilderungen zufolge die Einladung in den Chat. In diesem soll sowohl die militärische Taktik als auch die politische Kommunikation rund um den Schlag gegen die Huthi-Miliz im Jemen diskutiert worden sein.
Sicherheitsbedenken wegen der Verwendung von Signal
Sicherheits- und Rechtsexperten üben unter anderem an Kritik der Verwendung von Signal. John Bolton, dritter nationaler Sicherheitsberater während Trumps erster Amtszeit, erklärte im «Wall Street Journal», es gebe keine Rechtfertigung für die Nutzung eines nichtstaatlichen Systems. «Das ist entsetzlich.»
Matt Blaze, ein Professor für Informatik und Recht an der Georgetown University, sagte der «Washington Post», die Verschlüsselung sei bei Signal ziemlich stark, die Plattform jedoch nicht für hochsensible, geheime Gespräche geeignet. Er begründete dies unter anderem damit, dass Signal auf «grundsätzlich unsicheren Geräten» laufe: Smartphones und Laptops, die mit dem Internet verbunden seien und «allen möglichen Angriffen auf die Geräte ausgesetzt sein können, die nichts mit der Sicherheit der Software zu tun haben». Wenn das Gerät kompromittiert sei, sei alles, was das Gerät nutzt, kompromittiert.
Üblicherweise gibt es strenge Regularien dazu, wie die US-Regierung mit vertraulichen und streng geheimen Informationen umzugehen hat, die die nationale Sicherheit betreffen. Das gilt umso mehr für konkrete Pläne zu Militäreinsätzen im Ausland. Die Signal-App ist laut «Atlantic» von der US-Regierung generell überhaupt nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen.
Debatte dreht sich auch um mögliche Straftat
Ryan Goodman, ein ehemaliger Rechtsberater des US-Verteidigungsministeriums, ordnete das Vorgehen im Sender CNN als «grob fahrlässig» ein. Grobe Fahrlässigkeit im Umgang mit Verschlusssachen sei per Gesetz strafbar, wenn diese an unautorisierte Personen weitergegeben würden. «Und es war ein Journalist mit in der Leitung. Das heisst, dass es wirklich eine Weitergabe gegeben hat.»
Kritik von Demokraten, aber nicht nur
Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, sprach auf der Plattform X von «amateurhaftem Verhalten». Die Zeitung «The Hill» und der Sender ABC zitierten ihn mit den Worten, es handele sich um «eine der unglaublichsten Verletzungen» militärischer Geheimnisse, die ihm je untergekommen sei.
Der demokratische Senator und Militärexperte Jack Reed erklärte, «wenn diese Geschichte wahr ist, stellt sie eines der ungeheuerlichsten Versäumnisse in Bezug auf die operative Sicherheit und den gesunden Menschenverstand dar, die ich je gesehen habe». Militäroperationen müssten mit äusserster Diskretion und über genehmigte, sichere Kommunikationswege abgewickelt werden, denn es gehe um das Leben von Amerikanern. «Die Nachlässigkeit, die das Kabinett von Präsident Trump zeigt, ist erstaunlich und gefährlich. Ich werde sofort Antworten von der Regierung einfordern.»
Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sprach nach übereinstimmenden Medienberichten von einem «Fehler», den das Weisse Haus zugegeben habe.
Wird es personelle Konsequenzen geben?
«Politico» zitiert einen hochrangigen Regierungsmitarbeiter damit, dass auch über die Zukunft des Nationalen Sicherheitsberaters Waltz diskutiert werde. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt machte nach «Politico»-Angaben allerdings in einem Statement klar: «Präsident Trump hat weiterhin grösstes Vertrauen in sein nationales Sicherheitsteam, einschliesslich des Nationalen Sicherheitsberaters Mike Waltz».
Waltz fiel in dem Chat laut dem Goldberg-Artikel auch durch einen teils informellen Ton auf. Der Journalist schrieb, Trumps Nationaler Sicherheitsberater, der ihn in die Gruppe aufgenommen haben soll, habe etwa Emojis eingesetzt, um Zustimmung und Kampfgeist zu signalisieren: eine geballte Faust, eine US-Flagge und ein Flammen-Symbol.
Besonders brisant: Zwei Stunden vor Beginn der Attacken am 15. März soll Hegseth selbst im Chat detaillierte Angaben zu Zielen, Waffensystemen und dem zeitlichen Ablauf der Operation gemacht haben. Kurz darauf begannen tatsächlich Luftangriffe gegen Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen, die von den USA kurz zuvor wieder als ausländische Terrororganisation eingestuft worden waren.
Spätestens an diesem Punkt kam Goldberg, der zunächst sehr skeptisch gewesen sein will, nach eigenen Angaben zu dem Schluss, dass es sich bei dem Gruppenchat nicht um einen aufwendig inszenierten Fake handelte. (awp/mc/ps)