Berlin und Paris machen Tempo gegen Schuldenkrise
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Staatspräsident Nicolas Sarkozy.
Berlin – Deutschland und Frankreich machen Tempo, um eine strengere Überwachung der Euro-Stabilitätsregeln festzuschreiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten bereits nach einem Treffen in Strassburg am vergangenen Donnerstag angekündigt, «in den nächsten Tagen» gemeinsame Vorschläge für begrenzte Änderungen der EU-Verträge vorzulegen. Erwogen wird nach Informationen der «Bild»-Zeitung und der «Welt am Sonntag» nun auch zunächst ein Vertrag zwischen einzelnen Nationalstaaten wie einst beim Wegfall der Grenzkontrollen. Ein neuer Stabilitätspakt solle so möglichst schon bis Anfang nächsten Jahres erreicht werden.
Italienischen Medienberichten zufolge will der Internationale Währungsfonds (IWF) dem hoch verschuldeten Eurokrisenland Italien mit einem Milliarden-Programm unter die Arme greifen. Wie die Turiner Tageszeitung «La Stampa» am Sonntag mit Bezug auf informierte Kreise in Washington berichtete, könnte der IWF Rom mit einem Volumen bis zu 600 Milliarden Euro unterstützen, um die neue Regierung von Mario Monti bei der Durchsetzung der notwendigen Reformen mit einer stabileren Finanzlage zu entlasten.
Begrenzte Vertragsänderung
Eine Sprecherin der Bundesregierung sagte auf Anfrage am Samstag, Berlin werbe bei allen Partnern für ihre Überzeugung, dass eine begrenzte Vertragsänderung notwendig sei. «Intensive Gespräche finden natürlich gerade auch mit Frankreich statt.» Beide Länder wollten gemeinsame Vorstellungen in geeigneter Weise in die Konsultationen einbringen, die EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vor dem EU-Gipfel am 8./9. Dezember führen werde. Den Vorschlägen Van Rompuys und den Beratungen im Kreis aller EU-Partner sehe Deutschland mit Interesse entgegen.
Sarkozy hatte in Strassburg gesagt, dass die deutsch-französischen Arbeiten an gemeinsamen Vorschlägen weit fortgeschritten seien. «Wir werden diese Vorschläge vor dem Treffen in Brüssel am 9. Dezember vorstellen.» Merkel sagte, Zielrichtung sei eine Fiskalunion, «also eine politisch vertiefte Zusammenarbeit». Konkret soll etwa erreicht werden, dass Euro-Mitgliedsstaaten tatsächlich auf die Einhaltung der Vorgaben zur Haushaltsdisziplin verpflichtet werden können.
Merkel betont Unabhängigkeit der EZB
Um rascher zu mehr Verbindlichkeit bei der Euro-Stabilisierung zu kommen, wird ein Vertrag von Euro-Ländern untereinander laut «Welt am Sonntag» zusätzlich zu Änderungen der EU-Verträge erwogen. An diesem Ziel, bei dem alle 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen müssten, solle aber weiter festgehalten werden. Merkel betonte in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). «Deshalb beschäftigen sich mögliche Vertragsänderungen auch nicht mit der Europäischen Zentralbank. Sie ist für die Geldpolitik, für die Stabilität des Geldes zuständig.»
EZB sieht Rolle als Stabilitätshüter in Gefahr
Die EZB sieht derzeit – knapp 13 Jahre nach dem Euro-Start – ihre Rolle als Stabilitätshüter der gemeinsamen Währung in Gefahr. «Der politische Druck auf die EZB ist derzeit enorm», sagte der scheidende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» («FAS»). Besonders beunruhige ihn die Debatte, dass die Notenbank künftig nicht mehr allein der Stabilität des Euro verpflichtet sein könnte. «Es wird offen über eine Erweiterung unserer Aufgaben diskutiert. Das berührt nicht nur unsere Unabhängigkeit, sondern gefährdet sie», sagte Stark.
Nächste Etappe im Kampf gegen die Schuldenkrise ist indes ein Treffen der Euro-Finanzminister an diesem Dienstag (29. November) in Brüssel. Dort soll laut EU-Diplomaten das Kreditvolumen des Euro-Krisenfonds EFSF mit Beteiligung privater Investoren im geplanten Umfang aufgestockt werden. Die Finanzminister wollen die Leitlinien zur EFSF-Stärkung mit der Zielgrösse «bis zu einer Billion Euro» verabschieden, verlautete aus EU-Kreisen. Damit dementierten Diplomaten einen Bericht des Nachrichtenmagazins «Spiegel», wonach die Hebelung der verbliebenen EFSF-Mittel von 250 Milliarden Euro kleiner ausfällt und die Summe nur noch verdoppelt oder verdreifacht werden kann.
Kreise: EFSF dürfte um das Drei- bis Vierfache aufgestockt werden
EU-Kreise gehen davon aus, dass trotz der Unruhe an den Finanzmärkten eine Aufstockung um das Drei- bis Vierfache realistisch ist. Das würde einer Absicherung von 25 bis 30 Prozent entsprechen. Zum Jahresanfang sollen die Kredithebel einsatzbereit sein. «Wir werden die technischen Arbeiten am Dienstag abschliessen», sagte ein EU-Diplomat. Die von den Staats- und Regierungschefs im Grundsatz gebilligten Hebelmodelle stossen bislang bei den Investoren auf begrenztes Interesse. Potenzielle Anleger wie asiatische Staatsfonds wollen erst wissen, welche Länder genau Hilfe brauchen.
Die Finanzminister werden voraussichtlich auch die nächste Kredittranche von acht Milliarden Euro für Griechenland freigeben. Das Geld stammt aus dem alten Hilfspaket für Athen von 110 Milliarden Euro. Grünes Licht soll es auch für den nächsten Hilfskredit für Irland geben, dabei geht es um 4,2 Milliarden Euro. Irland war vor einem Jahr als erstes der 17 Euro-Länder unter den Rettungsschirm geschlüpft, später kam Portugal dazu.
Deutsche Wirtschaft gegen Steuer auf Börsengeschäfte
Derweil bringt sich die deutsche Wirtschaft in Stellung gegen ein erklärtes Ziel der Kanzlerin: Eine Steuer auf Börsengeschäfte in Europa brächte grosse ökonomische Schäden, warnen Spitzenverbände diverser Branchen. Eine Steuer auf Börsengeschäfte hätte nicht nur negative Auswirkungen auf den Finanzsektor selbst, sondern «schädliche Folgen für Unternehmen, Beschäftigte und die Wirtschaft insgesamt», warnen acht grosse Spitzenverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme für eine Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses an diesem Mittwoch. Auch die Kreditwirtschaft und die Bundesbank melden erhebliche Bedenken an. (awp/mc/ps)