Italien auf der Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt

Silvio Berlusconi wird nicht italienischer Staatspräsident.

Rom – Am Montag beginnt die Abstimmung über den neuen italienischen Staatspräsidenten von 1009 Wahlleuten. Nicht zur Wahl steht mehr Silvio Berlusconi. Nach einer ebenso ereignisreichen wie skandalumtosten Karriere hat der 85-Jährige den letzten und grössten Politik-Coup verpasst. Der ehemalige Regierungschef musste seinen Lebenstraum aufgeben, italienischer Staatspräsident zu werden. Am Samstag machte er seinen Rückzug offiziell, nachdem es ihm nicht gelungen war, genug Wahlleute zu überzeugen.

Berlusconi hatte sich als einziger Politiker offen um die Nachfolge von Sergio Mattarella an der Spitze des Staates bemüht – in Italien gibt es eigentlich keine offiziellen Bewerber vor der Wahl. Nach dem Aus Berlusconis intensivierten sich die Verhandlungen zwischen den Parteien in Rom. Es war unwahrscheinlich, dass ein gemeinsamer und lagerübergreifender Kandidat gefunden wird vor dem ersten Wahlgang.

Am Montag (15.00 Uhr) beginnt die Abstimmung von 1009 Wahlleuten in Rom. Unter ihnen sind die Mitglieder der beiden Parlamentskammern – dem Abgeordnetenhaus und dem Senat – sowie Vertreter der Regionen. In den ersten drei Wahlgängen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Solch ein Ergebnis galt am Sonntag als sehr unwahrscheinlich. Weil pro Tag nur ein Wahlgang vorgesehen ist, dürfte bis Mittwoch kein Sieger feststehen. Von Donnerstag – und Wahlgang vier – an reicht die absolute Mehrheit. Bis dahin wird erwartet, dass es zu etlichen Deals der Parteien um mögliche Kandidaten kommen wird.

Wird Berlusconi zum Königsmacher?
Berlusconi könnte dann als Strippenzieher und Königsmacher wichtig werden. Der Finanz- und Bauunternehmer, Medienmogul und zentrale Akteur in Italiens Politik seit drei Jahrzehnten ist selbst aber aus dem Rennen. «Ich habe entschieden, einen anderen Pfad einzuschlagen auf dem Weg der nationalen Verantwortung und bitte darum, darauf zu verzichten, meinen Namen als Präsident der Republik vorzuschlagen», teilte Berlusconi mit. «Ich werde meinem Land auf andere Art dienen.» Er hatte zuletzt noch intensiv versucht, genug Wahlleute von sich zu überzeugen. In einer Kampagne («Operation Eichhörnchen») telefonierten der Multimillionär und seine Helfer seit Wochen mit etlichen Politikern anderer Parteien – offenkundig erfolglos.

In seiner Erklärung behauptete Berlusconi zwar generös, auf die Kandidatur zu verzichten, obwohl er die nötigen Stimmen von 505 der 1009 Wahlleute gesichert habe. Das aber darf stark bezweifelt werden. Zuletzt hatten Politikexperten und auch seine Helfer angedeutet, dass Berlusconi bis zu 100 Wahlleute gefehlt hatten.

Keine späte Genugtuung
Für Berlusconi, der viermal Ministerpräsident war, daneben aber vor allem durch Skandale und Strafprozesse auffiel und im Zusammenhang mit den sogenannten «Bunga-Bunga-Partys» immer noch vor Gericht steht, wäre eine Wahl zum Präsidenten eine späte Genugtuung gewesen.

Medienberichten zufolge hatten ihm Familienmitglieder geraten, auch wegen seiner Gesundheit einen Schritt zurück zu machen. Nach einer Herzoperation 2016 und einer Corona-Infektion 2020 ist der «Cavaliere» (Ritter) genannte Politiker regelmässig in ärztlicher Behandlung.

Draghi Favorit
Nun rücken andere Kandidaten in den Fokus, etwa Pier Ferdinando Casini als Senator und früherer Präsident der Abgeordnetenkammer, der Verfassungsrichter und Ex-Ministerpräsident Giuliano Amato oder Maria Elisabetta Casellati, die aktuelle Vorsitzende des Senats.

Als Favorit galt zuletzt Ministerpräsident Mario Draghi – auch wenn Berlusconi in seinem Statement forderte, dass der Regierungschef bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben solle. Bei einem Wechsel des ehemaligen EZB-Chefs ins Präsidentenamt drohen Parlamentsneuwahlen und ein vorübergehender Stopp der Reformen. Das Gefeilsche um das höchste Amt im Staat nimmt immer mehr Fahrt auf. (awp/mc/pg)

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