Betrug bei Sach- und Haftpflicht-Versicherungen europaweit auf dem Vormarsch
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Zürich – Mehr als zwei Drittel (71 Prozent) der europäischen Sach- und Haftpflichtversicherer bestätigen einen spürbaren Anstieg von Betrugsfällen in den letzten drei Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleisters Accenture, für die mehr als drei Dutzend Schadenchefs führender Assekuranzen aus ganz Europa befragt wurden.
Laut der Erhebung ist die Anzahl der Betrugsfälle in den vergangenen 36 Monaten um durchschnittlich zehn Prozent gestiegen. Mehr als ein Drittel (39 Prozent) der Befragten geht zudem von unberechtigten Schadenszahlungen in Höhe von fünf bis zehn Prozent aus. Diese seien insbesondere aufgrund fehlender Warn- und Analysesysteme nicht bemerkt worden.
Jährlich zwischen acht und zwölf Milliarden Euro Verlust durch falsche Schadensmeldungen
„Die europäischen Sachversicherer verlieren nach unseren Schätzungen jedes Jahr zwischen acht und zwölf Milliarden Euro durch falsche Schadensmeldungen“, sagt Thomas D. Meyer, Managing Director bei Accenture Schweiz und Leiter der Versicherungspraxis in Europa, Afrika und Lateinamerika. „Die europäische Assekuranz könnte mehrere Milliarden Euro sparen, wenn sie auf die richtigen Techniken zur Betrugsidentifikation setzen würden. Doch viele nutzen nach wie vor veraltete Technologien und unzureichende Analysewerkzeuge. Dies macht es nahezu unmöglich, entsprechende Sachverhalte rechtzeitig und effizient zu erkennen.“
Zur Bekämpfung von Versicherungsbetrug möchten daher die meisten der Befragten, 76 Prozent, in den kommenden drei Jahren fortschrittliche Technologien zur Betrugsidentifikation einsetzen, etwa vorhersagende Analysemethoden. Diese sind unter anderem in der Lage, Indikatoren für Missbrauch auf Basis historischer Betrugsfälle zu bilden und auffällige Schadensmeldungen zu identifizieren. Investiert werden soll darüber hinaus in die „bessere Unterstützung durch die IT-Infrastruktur“ und die „verstärkte Datenerfassung“ (67 und 61 Prozent).
Schadenfall als Schlüssel zu Kundenzufriedenheit und -loyalität
„Der Service im Schadensfall ist in der Sachversicherung auch heute noch der Moment der Wahrheit in jeder Kundenbeziehung. Er ist damit der Schlüssel zu Kundenzufriedenheit und -loyalität. In dieser Situation kann der Versicherer seinen Kunden entweder angenehm überraschen oder nachhaltig enttäuschen“, sagt Thomas D. Meyer. „Die Herausforderung für Assekuranzen besteht insgesamt darin, betrügerische oder auffällige Schadensmeldungen einerseits zu erkennen und berechtigte Ansprüche andererseits fair und effizient abzuwickeln. Ein modernes Kernsystem für die Schadensbearbeitung ist dafür essenziell und kann etwa durch Automatisierung bestimmter Prozesse die Schadensregulierung massgeblich beschleunigen.“
Die durch Accenture-Mitarbeitende befragten Führungskräfte sorgen sich über verschiedene Aspekte ihrer Schadenregulierungssysteme. Dies betrifft vor allem ihren Kundenservice, einen der wichtigsten Prozesse:
- 84 Prozent der Befragten halten die Systeme ihrer Versicherungen für nicht flexibel und modern genug, um den Kundenanforderungen (z.B. die Möglichkeit, überall und zu jeder Zeit den Stand der Bearbeitung der Schadensmeldung abzufragen) gerecht zu werden.
- Fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) kann ihre aktuellen Systeme nicht ohne Einbeziehung der unternehmenseigenen IT an neue Anforderungen zur Betrugserkennung anpassen. Damit wird etwa die schnelle und einfache Reaktion auf neue Anforderungen bei der Schadensregulierung erschwert.
- 55 Prozent der Verantwortlichen geben an, dass die verwendeten Kernsysteme für das Schadenmanagement zehn Jahre oder älter sind. 40 Prozent müssen bei der Schadensregulierung auf mehr als fünf verschiedene Anwendungen zurückgreifen.
- Laut 51 Prozent der Befragten sind ihre Systeme nicht in der Lage, das wachsende und verfügbare Datenvolumen zu erfassen und entsprechend zu analysieren. Eine Einbindung von Informationen aus Social Networks, Telemetrie oder auch GPS-Technologie ist nicht möglich, obwohl diese Daten Versicherern erlauben würden, ihr Schadenmanagement anzupassen und zu verbessern.
- Drei von vier Versicherern (75 Prozent) sehen in puncto Schadensregulierung die grösste Herausforderung in der Fähigkeit, neue Multikanal-Technologien in die Bestandssysteme zu integrieren.
Weitere Ergebnisse der Studie
- Die europäischen Versicherer planen binnen drei Jahren Investitionen im Bereich Schaden von durchschnittlich 16 Millionen Euro.
- Zu den Top-Investitionsvorhaben zählen Prozessoptimierung und -automation (79 Prozent), Datenanalyse und Betrugserkennung (60 Prozent) sowie Dokumenten- und Workflow-Management (45 Prozent).
- 37 Prozent der Versicherer wollen ihr Schadensystem innerhalb der nächsten zwei Jahre austauschen. Dabei setzen zwei Drittel von ihnen auf Standardsoftware und ein Drittel auf eigenentwickelte Systeme.
- In den nächsten drei Jahren sollen im Schnitt fast ein Viertel der Erst-Schadensmeldungen (23 Prozent) – Diebstahl, Verlust oder Beschädigungen – digital verarbeitet werden, zum Beispiel über Online-Portale, die die Kunden selbst bedienen können. Bislang wird im Schnitt nur eine von zehn Erst-Schadensmeldungen (11 Prozent) über elektronische Kanäle abgewickelt.
- Alle befragten europäischen Versicherungsunternehmen beabsichtigen innerhalb der nächsten drei Jahre Erweiterungen bzw. Verbesserungen des Schadenmanagements. 35 Prozent sehen die Lösung in einer Transformation des gesamten Betriebsmodells, 65 Prozent haben sich die schrittweise Optimierung auf die Fahne geschrieben.
„Sicherlich ist eine schrittweise Anpassung des Schadenmanagements kurzfristig schneller umsetzbar, weniger kostenintensiv und auch immer zu prüfen. Jedoch kann ein solcher Ansatz Versicherer in einem hochvolatilen Marktumfeld mit zunehmend digital versierten Kunden schnell an ihre Grenzen bringen“, sagt Thomas D. Meyer. „Branchenvertreter, die ihre Verluste durch Betrugsfälle radikal verringern und gleichzeitig Kundenzufriedenheit steigern wollen, sollten die Gelegenheit nutzen und ihr Schadenmanagement neu überdenken, das Betriebsmodell entsprechend anpassen und mit transformationsfähigen Kernsystemen untermauern.“ (Accenture/mc/hfu)
Über die Studie:
Für die Studie wurden Verantwortliche für den Bereich Schadensregulierung von 44 europäischen Sach- und Haftpflichtversicherern mit einem Nettoprämienvolumen (NPW) zwischen 100 Millionen und mehr als 1 Mrd. US-Dollar befragt. Darunter waren Unternehmen aus Belgien, Frankreich, Grossbritannien, der Schweiz, den Niederlanden, Spanien, Dänemark, Österreich, Deutschland, Schweden, Finnland und Norwegen.
Über Accenture:
Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit rund 266‘000 Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind. Als Partner für grosse Business-Transformationen bringt das Unternehmen umfassende Projekterfahrung, fundierte Fähigkeiten über alle Branchen und Unternehmensbereiche hinweg und Wissen aus qualifizierten Analysen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kunden ein. Accenture erwirtschaftete im vergangenen Fiskaljahr (zum 31. August 2012) einen Nettoumsatz von 27,9 Mrd. US-Dollar.