Biden vermasselt TV-Duell – Debatte über Rückzug aus dem Rennen
Atlanta/Washington – Der schwache Auftritt von US-Präsident Joe Bidens beim ersten TV-Duell gegen seinen Herausforderer Donald Trump schürt in der Demokratischen Partei Panik und lässt Rufe nach seinem Rückzug aus dem Rennen ums Weisse Haus laut werden. Die Fernsehdebatte galt als Bewährungsprobe für den 81 Jahre alten Demokraten. Während des Schlagabtauschs verhaspelte sich der mächtigste Mann der Welt regelmässig, er sprach undeutlich, leise und mit rauer Stimme. US-Medien zufolge liess die Performance Bidens bei Demokraten die Alarmglocken schrillen. Zwar stellte sich am Freitag noch kein prominenter Parteikollege öffentlich gegen Biden. Doch das Urteil von Parteistrategen und Beobachtern über Bidens Leistung fiel einstimmig aus.
Biden bewirbt sich bei der Präsidentenwahl Anfang November um eine zweite Amtszeit. Auch sein Vorgänger, der 78 Jahre alte Trump will für die Republikaner noch einmal ins Weisse Haus. In Umfragen deutet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden an. Ein Dauerthema im Wahlkampf ist das hohe Alter der Kontrahenten. Eigentlich wollte Biden bei dem rund 90 Minuten langen TV-Duell am Donnerstagabend (Ortszeit), das die heisse Phase des US-Wahlkampfs einläutet, zeigen, wie fit er ist. Das ist nun ordentlich misslungen. «Er verlor die Debatte von Anfang an», hiess es in einem Meinungsstück der «Washington Post». Auch wenn es noch einige Monate bis zur Wahl seien, sei das TV-Spektakel vor Millionenpublikum ein Schlag für Biden, der Spuren hinterlassen werde.
Der Schlagabtausch wurde vom Sender CNN in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia ausgerichtet. Biden und Trump durften während des Duells keine Spickzettel benutzen und mussten frei sprechen. Die Debatte fand ohne Studiopublikum statt. Das Mikrofon des jeweiligen Präsidentschaftsbewerbers, der gerade nicht sprach, war stumm geschaltet. Da die politischen Überzeugungen beider Bewerber weitgehend bekannt sind, ging es bei dem Duell vorrangig darum, wie gut sich Biden und Trump bei einem direkten Zusammentreffen auf der Bühne schlagen würden. Trump setzte wie gewohnt auf aggressive Rhetorik und verbreitete bei vielen Themen Falschbehauptungen. Bidens wackliger Auftritt überschattete dies allerdings – auch der Demokrat hielt sich nicht immer an die Fakten.
Demokraten in Erklärungsnot
Nach dem Event hatten Anhänger der Demokraten sichtlich Probleme die Leistung des US-Präsidenten zu verteidigen. «Sein grösstes Problem war, dass er dem amerikanischen Volk beweisen musste, dass er die Energie und Ausdauer hat. Und das tat er nicht», sagte Kate Bedingfield, die einst unter Biden als Kommunikationsdirektorin im Weissen Hauses arbeitete. Die «New York Times» zitierte einen prominenten Spender der Demokratischen Partei, Mark Buell, mit deutlichen Worten. Er fordere zwar noch nicht Bidens Rückzug. Aber der Präsident müsse dringend überlegen, ob er der beste Kandidat sei, so Buell. Unter dem Deckmantel der Anonymität wurden einige Demokraten noch deutlicher. «Eine Katastrophe», urteilte ein demokratischer Abgeordneter dem CNN zufolge über den Auftritt.
Nach der Debatte richteten sich die Augen auch auf mögliche Alternativen zu Biden. Der Gouverneur des US-Bundesstaats Kalifornien, Gavin Newsom, dem selbst Präsidentschaftsambitionen nachgesagt werden, stellte sich öffentlich hinter Biden. «Ich werde Präsident Biden nie den Rücken kehren», sagte er. Die unpopuläre Vize-Präsidentin Kamala Harris wurde in einem TV-Interview wegen Bidens Performance gegrillt – und gestand schliesslich ein, dass ihr Chef einen «holprigen Start» gehabt habe. Andere prominente Demokraten, die sich offen zu Wort meldeten, betonten, dass Biden der Kandidat der Partei sein werde und versuchten, den Auftritt herunterzuspielen.
Persönliche Attacken
Bei dem TV-Spektakel wurden Biden und Trump von den Moderatoren zu einer Palette von Themen befragt. Die beiden Politiker standen Rede und Antwort zu Wirtschaftspolitik, Abtreibung, Migration und mussten sich auch zu internationalen Krisen wie dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder dem Nahost-Konflikt äussern. Biden wurde dabei oft persönlich und beleidigte seinen Kontrahenten – dies verfing allerdings kaum, weil sich der 81-Jährige ständig verhaspelte oder undeutlich sprach. «Ich habe Halsweh», sagte er nach der Debatte auf die Frage, ob er krank sei.
Auch Trump ging Biden hart an und warf ihm vor, nicht für das Präsidentenamt geeignet zu sein. «Er ist, ohne Frage, der schlechteste Präsident (…) in der Geschichte unseres Landes», schimpfte er. Ausserdem nannte er den Demokraten regelmässig abwertend «Joe» – die korrekte Anrede wäre «Präsident» gewesen. Trump relativierte erneut seine Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Der Republikaner hatte damals seine Anhänger aufgewiegelt, weil er seine Wahlniederlage nicht akzeptieren wollte. Diese stürmten daraufhin den US-Kongress. Der Republikaner wollte sich auch nicht darauf festlegen, ob er den Ausgang der Wahl im November akzeptieren wird.
Trump zeichnete neuerlich ein düsteres Bild der Vereinigten Staaten und präsentierte sich als einzige Rettung. Er vermied es allerdings, wie sonst üblich, in lange Monologe voller Selbstmitleid zu verfallen. Trumps Wahlkampfteam feierte den Republikaner für seinen Auftritt und veröffentlichte nach der Debatte ein Wahlkampfvideo, in dem Trump selbst kein Wort sagt. Stattdessen handelte es sich um einen Zusammenschnitt von Bidens schlimmsten Momenten während der Debatte. (awp/mc/pg)
Der amerikanische Komiker und Satiriker Jon Stewart fasste in seiner Daily Show das Trauerspiel treffend zusammen: