Unbeirrter Biden mit neuen Rückzugsforderungen konfrontiert
Washington – In der Debatte um die Eignung von US-Präsident Joe Biden als Präsidentschaftskandidat hat sich eine weitere Kongressabgeordnete öffentlich für einen Rückzug des Demokraten ausgesprochen. «Präsident Biden ist ein guter Mann und ich schätze sein lebenslanges Engagement», schrieb die Demokratin Angie Craig auf der Online-Plattform X. «Aber ich glaube, er sollte Platz machen für die nächste Führungsgeneration. Es steht zu viel auf dem Spiel.»
Craig ist eine von inzwischen fünf Demokratinnen und Demokraten im Repräsentantenhaus, die sich öffentlich gegen Biden wenden. Zwei weitere Abgeordnete haben ausserdem ihre Einschätzung publik gemacht, dass er bei der Präsidentenwahl im November nicht gegen seinen republikanischen Herausforderer Donald Trump gewinnen kann.
Am Tag zuvor hatte Biden sich in einem viel beachteten TV-Interview beim Sender ABC News darum bemüht, die erheblichen Zweifel an seiner Eignung auszuräumen – doch sie hielten an. David Axelrod, einst Chefstratege von Ex-Präsident Barack Obama, äusserte sich dazu unter anderem in einem Meinungsstück für den Sender CNN mit dem Titel «Bidens trotziger Trugschluss». Der Amtsinhaber müsse sich aus «Pflicht und Liebe für sein Land» aus dem Rennen zurückziehen, mahnte Axelrod. Sonst werde Bidens Alter den Rest des Wahlkampfes bestimmen und nicht «Trumps moralische und ethische Leere».
Uneinsichtiger Biden verlässt sich auf Gott
In dem TV-Interview hatte der Journalist George Stephanopoulos dem mit 81 Jahren schon jetzt ältesten US-Präsidenten der Geschichte wenig Gelegenheit geboten, politische Erfolge in den Mittelpunkt zu rücken. Der Fokus des Fragestellers lag uneingeschränkt auf Bidens Eignung für den Präsidentschaftswahlkampf.
Biden reagierte uneinsichtig und sagte unter anderem, zu einem Rückzug könne ihn nur Gott bewegen. Einen ärztlichen Test seiner geistigen Fitness lehnte Biden ab, schlechte Umfragewerte stellte er infrage. Er weigerte sich ausserdem, näher darauf einzugehen, inwiefern sich sein Verhalten negativ auf die Mehrheiten im US-Kongress auswirken könnte.
Demokraten haben Sorge um eigene Mandate
Bei der Wahl im November werden neben dem Präsidentenamt auch viele Sitze im Parlament neu vergeben. Unter Demokraten steigt die Angst, dass die Republikaner künftig sowohl im Weissen Haus als auch im Kongress die Kontrolle haben könnten. Kritik wird allerdings bislang eher hinter vorgehaltener Hand geäussert, also indirekt über die US-Medien kommuniziert. Dort häufen sich entsprechende Aussagen von Mitarbeitern namentlich nicht genannter Kongressmitglieder. Diese Botschaften könnten in den kommenden Tagen lauter werden – es steht eine Sitzungswoche im Kongress an. Berichten zufolge wird in der Partei mit weiteren Abweichlern gerechnet, die sich möglicherweise auch untereinander koordinieren.
Gerangel um das Narrativ
Seit seinem desaströsen Auftritt beim ersten TV-Duell gegen Trump kämpft Biden an allen Fronten, um seine Kandidatur zu retten. Dabei setzt er auch auf zahlreiche Auftritte vor Publikum. Heute macht Biden in Pennsylvania Wahlkampf – der Bundesstaat gilt als «Swing State» und ist somit besonders wichtig, weil er weder den Demokraten noch den Republikanern fest zugerechnet werden kann.
Als Zeichen der Geschlossenheit schaltete sich Biden am Samstag mit mehreren verbündeten Parteikollegen zusammen, darunter der Senator Chris Coons. Der langjährige Weggefährte Bidens sagte CNN, es habe sich um ein «konstruktives, offenes und positives Telefonat» gehandelt, bei dem Biden «ehrliche Ratschläge» eingeholt habe. Dabei sei man sich einig gewesen, dass das TV-Interview gut gelaufen sei. Zuvor hatte Bidens Wahlkampfteam verlauten lassen, der US-Präsident habe die «Erwartungen übertroffen».
Trump-Team verschickt Mafia-Zitat
Trump nutzte Bidens innerparteiliche Bredouille derweil für seine eigenen Zwecke. «Der korrupte Joe Biden sollte seine zahlreichen Kritiker ignorieren und mit Eifer und Kraft seine mächtige und weitreichende Kampagne vorantreiben», verkündete der Republikaner sarkastisch über sein Sprachrohr Truth Social. «Er sollte scharfsinnig, präzise und energisch sein, genau wie im TV-Duell.»
Wenig später verschickte Trumps Wahlkampfteam eine E-Mail mit einem Link zum X-Account der berühmten Mafia-Fernsehserie «Die Sopranos». Dieser hatte auf einen X-Beitrag Bidens mit dem Zitat reagiert: «Wenn Du immer wieder sagen musst, dass Du der Boss bist, bist Du nicht der Boss.» Dem New Yorker Immobilienmogul Trump wurden in der Vergangenheit selbst Verbindungen zum Mob nachgesagt, aber nie nachgewiesen.
Eigentlich hat Biden die Präsidentschaftskandidatur für seine Partei bereits sicher – offiziell soll er beim Parteitag der Demokraten gekürt werden, der vom 19. bis 22. August in Chicago stattfindet. Bei den Vorwahlen hat der US-Präsident die nötigen Delegiertenstimmen dafür gesammelt. Nennenswerte Konkurrenz hatte er im Vorwahlkampf nicht. Sollte er nun doch noch freiwillig das Handtuch werfen oder zum Verzicht gezwungen werden, müssten sich die Demokraten schnell auf einen Ersatz einigen. (awp/mc/ps)