Bidens Demokraten verlieren Mehrheit im Repräsentantenhaus
Washington – US-Präsident Joe Biden wird in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit auf Gegenwind aus dem Kongress treffen. Die Republikaner errangen eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus, wie US-Fernsehsender und die Nachrichtenagentur AP in der Nacht zum Donnerstag auf Basis ausgezählter Stimmen und Prognosen meldeten. Damit können sie Gesetzesinitiativen aus dem Weissen Haus blockieren und Untersuchungen Bidens und seiner Politik anstrengen.
Zugleich zogen die Amerikaner bei den Zwischenwahlen vergangene Woche in vielen Fällen Demokraten insbesondere den von Ex-Präsident Donald Trump unterstützten radikalen Republikanern vor. Entgegen der Erwartungen behielten die Demokraten die Kontrolle über den Senat und haben sogar die Chance, ihre Mehrheit dort auszubauen. Und im Abgeordnetenhaus werden die Republikaner statt des erhofften überwältigenden Sieges nur knapp über der nötigen Mehrheit von 218 Stimmen liegen.
Die Demokraten liegen inzwischen bei 210 Sitzen. Damit sind nur noch sieben Sitze offen. Der knappe Vorsprung macht es für den bisherigen republikanischen Minderheitsführer Kevin McCarthy schwieriger, Siege bei Abstimmungen zu erzielen. Er braucht für Initiativen die Stimmen sowohl gemässigter Republikaner als auch rechter Trump-Getreuen. Noch unklar ist, wie die Ankündigung Trumps, ins Rennen um eine zweite Amtszeit zu gehen, die Dynamik bei den Republikanern beeinflusst.
Biden betonte in einem Glückwunsch-Schreiben an McCarthy, er sei bereit, mit den Republikanern im Abgeordnetenhaus zusammenzuarbeiten, «um Ergebnisse für arbeitende Familien zu erreichen». Die Wahl habe demonstriert, dass die Menschen politische Gewalt und die von Trump vorangetriebenen Behauptungen über einen ihm gestohlenen Wahlsieg ablehnten.
Knappes Rennen um Nummer drei politischen Rangfolge
in der McCarthy wurde diese Woche zwar als Anführer der Republikaner in der Kammer bestätigt. Er bekam dabei aber nur 188 Stimmen, während 31 republikanische Abgeordnete für den rechten Herausforderer Andy Biggs stimmten. Um die Demokratin Nancy Pelosi im Januar auf dem Chefposten der Kammer abzulösen, braucht McCarthy die Mehrheit des gesamten Repräsentantenhauses.
Eine Patt-Situation bei den Republikanern könnte ungewöhnliche Folgen haben. So sagte der republikanische Abgeordnete Don Bacon, er wäre dann bereit, mit Demokraten zusammenzuarbeiten, um einen moderaten Republikaner zum Vorsitzenden der Kammer zu wählen. Der Posten ist die Nummer drei in der politischen Rangfolge in den USA nach dem Präsidenten- und dem Vizepräsidenten-Amt.
McCarthy betonte, mit dem Sieg im Kongress sei die Zeit vorbei, in der nur eine Partei in Washington regiere. «Wir haben Nancy Pelosi gefeuert.» Pelosi betonte, dass die Demokraten weiterhin viel Einfluss neben einer «mageren Mehrheit» der Republikaner haben würden. Ob die 82-Jährige die Demokraten auch in der Minderheit weiter führen will, ist offen. Ihr Ehemann Paul Pelosi war vor wenigen Wochen bei einem Angriff auf das Haus des Paars in San Francisco schwer verletzt worden und sie sagte, dass dies die Entscheidung über ihre politische Zukunft beeinflussen werde.
Demokraten halten Mehrheit im Senat
Mit der Mehrheit im US-Senat können Demokraten dort Initiativen von Republikanern aus dem Repräsentantenhaus stoppen. Die Republikaner haben aber auch damit gedroht, diverse parlamentarische Untersuchungen gegen Demokraten anzustossen: etwa zur Lage an der Grenze zu Mexiko, zur FBI-Durchsuchung beim früheren republikanischen Präsidenten Donald Trump oder zu Geschäften von Bidens Sohn Hunter. Sie könnten womöglich auch Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Kabinetts anstrengen. Damit können sie Biden und seiner Regierung in den kommenden zwei Jahren das Leben schwer machen.
Und dem Repräsentantenhaus kommt in Haushaltsfragen besonderes Gewicht zu. Die Republikaner drohten damit, eine Anhebung der Schuldenobergrenze oder Finanzhilfen für die Ukraine zu blockieren. Beobachter sehen das lediglich als Mittel, um den Demokraten an anderer Stelle ein Entgegenkommen abzutrotzen. Es dürfte für Biden aber schwieriger werden, selbst solche Vorhaben durchzusetzen, die üblicherweise parteiübergreifend beschlossen werden.
Bei den Zwischenwahlen in der Mitte der Amtszeit eines US-Präsidenten bekommt dessen Partei üblicherweise einen Denkzettel verpasst. Der Präsident steht selbst nicht zur Wahl, die Abstimmung gilt aber als eine Art Referendum über dessen Politik. Biden hatte innenpolitisch zuletzt unter anderem die Inflation im Land zugesetzt – insbesondere steigende Spritpreise sorgten für Unzufriedenheit. Und schon zuvor hatte Biden mit dramatisch schlechten Umfragewerten zu kämpfen.
Republikanische Erfolgswelle ausgeblieben
Vor der Wahl war eine Erfolgswelle für die Republikaner vorausgesagt worden, und ein Debakel für die Demokraten. Doch beides blieb aus. Die Kontrolle über den Senat ist wichtig für die Demokraten, weil Personalien auf Bundesebene – etwa Botschafter, Kabinettsmitglieder oder Bundesrichter – dort bestätigt werden. (awp/mc/ps)