Blockade in den USA – Republikaner unter Beschuss

John Boehner

Republikaner um John Boehner geraten stärker unter Beschuss.

Washington – Im US-Schuldenstreit taktieren Demokraten und Republikaner trotz nahe rückender Staatspleite weiter. Beide Seiten versuchen, eigene Gesetze zur Erhöhung des Schuldenlimits durchs Parlament zu bringen. Der ernsthafte Wille zum Kompromiss war zunächst nicht zu erkennen.

Gingen die Experten bisher vom 2. August als Stichtag für eine Zahlungsunfähigkeit aus, schrieb die «New York Times» am Mittwoch, wahrscheinlich könne die Regierung auch danach noch einige Tage Rechnungen und Schuldendienst bezahlen. Zu dieser Einschätzung seien mehrere Wall-Street-Banken sowie Experten in Washington gekommen. Es sei «Konsens», dass die Regierung noch bis zum 10. August zahlungsfähig sei, schreibt das Blatt. Erst dann brauche sie «frisches Geld», um etwa Millionen Sozialhilfe-Schecks ausstellen zu können.

Katastrophale Folgen für Weltwirtschaft befürchtet
Bislang hatte Präsident Barack Obama stets betont, der 2. August sei der Stichtag für die Zahlungsunfähigkeit, sollte die Schuldengrenze von 14,3 Billionen Dollar bis dann nicht erhöht werden. Die USA wären dann erstmals in ihrer Geschichte zahlungsunfähig. Experten fürchten katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft.

Uneinigkeit bei den Republikanern
Die Debatte in Washington wird immer verworrener. Nicht nur zwischen Regierung und Opposition verhärten sich die Fronten, auch innerhalb des republikanischen Lagers formiert sich zusehends Widerstand. So musste John Boehner, Republikanerführer im Abgeordnetenhaus, einen Gesetzentwurf vor der für Mittwoch geplanten Abstimmung zurückziehen. Einigen Radikalen im eigenen Lager gehen die Einsparungen von insgesamt drei Billionen Dollar über zehn Jahre nicht weit genug. Ausserdem meldete eine unabhängige Kongresskommission Zweifel an, ob Boehner richtig gerechnet habe.

Obama will Thema vom Tisch haben
Allerdings hatte Obama bereits zuvor erklärt, dass er ein Veto einlegen würde – weil nach Boehners Vorschlag die Schuldendebatte im Laufe des kommenden Jahres erneut geführt werden müsste. Das will Obama auf alle Fälle vermeiden – denn im nächsten Jahr sind Präsidentenwahlen. Die Republikaner wiederum wollen das für Obama leidige Thema unbedingt zum Hauptwahlkampfthema machen.

Schwierigkeiten auch mit Reid-Vorschlag
Aber auch ein Gegenvorschlag des demokratischen Fraktionschefs im Senat, Harry Reid, stösst auf Probleme. Reid hatte Einsparungen in Höhe von 2,7 Billionen Dollar vorgeschlagen. Doch es ist unsicher, ob er die notwendigen 60 Stimmen im Senat zusammenbekommt. Der Reid-Plan sieht vor, dass das Thema Schuldenlimit erst nach den Wahlen wieder auf den Tisch muss.

Patt-Situation im Kongress
Eine Lösung ist nicht zuletzt deshalb schwer zu finden, weil es im Kongress ein Patt gibt. Die Demokraten beherrschen den Senat während die Republikaner im Abgeordnetenhaus die Mehrheit haben.

New York Times greift Republikaner an
Klar ist – die Nerven liegen blank. Nicht nur Barack Obama und seinen Kontrahenten im US-Finanzdrama ist die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Auch die Medien neigen immer mehr zu schroffen Tönen, selbst die vornehme «New York Times» lässt ihre Zurückhaltung fallen. «Die Krise hat ihre Wurzeln in der Verneinung der Realitäten durch die Republikaner», feuert sie am Mittwoch eine Breitseite an deren Adresse ab.

Am Pranger: George W. Bush
Und immer mehr gerät ein Mann als Hauptschuldiger ins Blickfeld: Ex-Präsident George W. Bush. Obama lässt es sich nicht nehmen, in jeder Rede zum Schuldenthema genüsslich einfliessen zu lassen, dass es zum letzten Mal unter seinem demokratischen Vor-Vorgänger Bill Clinton einen ausgeglichen Haushalt gab. Ein stolzer Augenblick in der jüngsten US-Geschichte. Erst im Januar 2001 als Bush Junior ins Weisse Haus einzig, nahm das Übel seinen Lauf. Sage und schreibe 5,07 Billionen Dollar Neuausgaben und Steuersenkungen legte Schuldenmeister Bush auf.

Steuererleichterungen belastet am stärksten
Überraschend dabei ist: Nach einer Studie der «New York Times» waren die Kriege in Afghanistan und im Irak nicht einmal Spitzenreiter unter den Kosten. Die Militärausgaben verursachten «nur» rund 1,5 Billionen Dollar Mehrausgaben, deutlich stärker schlugen dagegen grosszügige Steuererleichterungen ins Kontor – nämlich mit 1,8 Billionen. Ein Löwenanteil der Steuererleichterungen floss in die Taschen der Reichen und Ölgesellschaften. Hinzu kamen etwa 773 Milliarden für Konjunktur- und Rettungsprogramme – etwa Ende 2008, als US-Banken ins Trudeln gerieten.

Gesundheitsreform im Vergleich «ein Schnäppchen»
Neben Bushs Ausgaben wirken Obamas Neuausgaben fast harmlos – 1,4 Billionen Dollar. 771 Milliarden gab auch er für Konjunkturprogramme aus, immerhin 425 Milliarden kosteten ihn Steuersenkungen. Dagegen schlug die von den Republikanern verteufelte Gesundheitsreform lediglich mit 152 Milliarden zu Buche.

Fundamentalisten im republikanischen Lager unter Beschuss
Doch es sind nicht die Sünden der Vergangenheit, die die Emotionen in Wallung bringen. Es ist die Kompromisslosigkeit der Fundamentalisten im republikanischen Lager, die immer mehr auf Ablehnung stösst. Auf Obamas Empfehlung griffen Hunderttausende Amerikaner zum Telefon und riefen im Kongress an, um ihrem Ärger Luft zu machen. Es heisst, die Telefonzentrale sei völlig überlastet gewesen. Blanker Zorn legt der Kommentator der «New York Times» – ganz ungeschminkt – an den Tag. «Wie können so viele republikanische Abgeordnete es rechtfertigen, dass sie ihr Land in eine katastrophale Zahlungsunfähigkeit treiben, nur um ideologische Pluspunkte zu machen?»

Der Vorwurf richtet sich an Heisssporne und Fundamental-Oppositionelle der Tea-Party-Bewegung. Einige dieser meist jüngeren republikanischen Abgeordneten, die erst mit der Wahl im vergangenen November ins Parlament kamen, streiten es rundherum ab, dass es zum Staatsbankrott kommen könnte. Washington könne immer genug Geld auftreiben – was die gesamte Expertenwelt anders beurteilt. Dazu die «New York Times»: «Falls der Zusammenbruch der Wirtschaft in der nächsten Woche beginnt, wird die Spur zu den Ursachen nicht schwer zu verfolgen sein.» (awp/mc/pg)

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