Boeing-CEO Jim McNerney.
Washington – Der US-Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing hat sich den «Jahrhundert-Auftrag» der US Air Force für 179 Tankflugzeuge gesichert. «Boeing war der klare Sieger», sagte der stellvertretende US-Verteidigungsminister William Lynn am späten Donnerstagabend im Pentagon.
Damit geht der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS bei dem 35 Milliarden Dollar schweren Geschäft leer aus. Der EADS-Kurs sank am Vormittag um rund 1,3 Prozent. Die Kampfkraft, der Anschaffungspreis sowie die Wartungs- und Betriebskosten hätten für das Boeing-Modell gesprochen, betonte Lynn. EADS steht es nun offen, einen förmlichen Protest einzulegen.
EADS enttäuscht
Der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle betonte am Freitag: «Wir sind der Auffassung, dass EADS ein sehr gutes Angebot abgegeben hat.» EADS müsse die Entscheidung nun genau analysieren. Dabei müsse auch über mögliche weitere Schritte und Konsequenzen nachgedacht werden. «Das ist zweifellos eine enttäuschende Entwicklung», erklärte Ralph Crosby, Vorstand von EADS Nordamerika. «Wir sehen der Diskussion mit der US-Luftwaffe über die Gründe für diesen Entschluss mit Interesse entgegen». Die amerikansiche EADS-Tochter wird am Montag über die Gründe der Auftragsvergabe informiert werden.
Pentagon: «Keine Basis für Proteste»
Der stellvertretende Verteidigungsminister warnte aber bereits: «Wir haben einen klaren und offenen Bieterprozess gestartet. Das schafft keine Basis für Proteste.» Analysten schliessen einen erneuten Widerspruch von EADS allerdings nicht aus, berichtete der französische Wirtschaftssender BFM-TV. Das Wirtschaftsblatt «Les Echos» betonte unter der Überschrift «Pentagon zerstört den amerikanischen Traum von EADS», Airbus blieben nun drei Monate Zeit für einen Einspruch. Der Chef von EADS-Nordamerika, Sean O’Keefe, versuchte in einer Erklärung, die Tragweite dieser Entscheidung zu relativieren. Der Auftrag sei nur eine von vielen Geschäftschancen für EADS in den USA gewesen, meinte er.
Dritter Anlauf
Es war bereits der dritte Anlauf zur Vergabe des Megageschäfts. Einmal hatte Boeing gewonnen, einmal EADS. Nach Fehlern bei der Auftragsvergabe schrieb die Regierung den Superdeal immer wieder neu aus. «Wir haben uns die Zeit genommen, die richtige Entscheidung zu treffen», sagte Luftwaffen-Staatssekretär Michael Donley. Es geht um viel Geld: Mit Folgeaufträgen könnte das Geschäft auf 100 Milliarden Dollar anwachsen. Die Boeing-Aktie sprang nachbörslich 4 Prozent nach oben. Die Anteilscheine von EADS gaben im frühen Handel gut 3 Prozent nach.
Ersatz von 534 Tankern und Frachtmaschinen
«Wir fühlen uns geehrt, das nächste Tankflugzeug für die Air Force liefern zu dürfen», sagte Boeing-Chef Jim McNerney. Die Luftwaffe habe sich für ein amerikanisches Flugzeug entschieden, erklärte er. Das sichere und schaffe 50.000 Arbeitsplätze im ganzen Land. Die Maschine wird unter der Bezeichnung KC-46A laufen. Der US-Hersteller hatte bereits den Vorgängertypen geliefert, die KC-135. Sie sind in allen Krisenherden der Welt im Einsatz und betanken Kampfflugzeuge in der Luft. Das spart Zeit und schafft Unabhängigkeit von Landemöglichkeiten. Insgesamt muss die Air Force 534 Tanker und Frachtmaschinen ersetzen, die noch Präsident Dwight D. Eisenhower kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs angeschafft hatte. EADS hatte einen bereits bei anderen Luftwaffen erprobten Tankflieger auf Basis des Passagierjets Airbus A330 ins Rennen geschickt, Boeing konterte mit einer Neuentwicklung auf Basis der kleineren und älteren Verkehrsmaschine 767 und versprach günstigere Betriebskosten.
EADS-Chef «erstaunt» über Schlappe
EADS-Chef Louis Gallois hat sich «enttäuscht und erstaunt» über die Schlappe beim Mega-Auftrag der US-Luftwaffe gezeigt. «Wir haben eine Chance verpasst», sagte Gallois nach Angaben eines Sprechers am Freitag auf einer Telefon-Konferenz zur Entscheidung des Pentagon. Gallois sagte, die Entscheidung ändere nichts an den Geschäftsaussichten von EADS. Der Konzern werde nach anderen Wegen suchen, um sein US-Geschäft auszubauen. EADS arbeite bereits erfolgreich mit dem US-Verteidigungsministerium zusammen, sagte Gallois. Er verwies unter anderem etwa auf Helikopter-Projekte. Zu einem möglichen Protest sagte Gallois, EADS werde ein Gespräch mit dem Pentagon am kommenden Montag abwarten, bevor der Konzern über weitere Schritte nachdenke. (awp/mc/ss/upd/ps)