Farnborough – Der weltgrösste Flugzeugbauer Boeing hat seinen Rivalen Airbus auf der Luftfahrtmesse in Farnborough bei Neubestellungen deutlich abgehängt. Unterdessen festigten beide Hersteller ihre Macht auf dem weltweiten Flugzeugmarkt. So hat sich Airbus einen wichtigen Jet des kanadischen Bombardier-Konzerns einverleibt, und Boeing soll die Mehrheit an der Verkehrsflugzeugsparte des brasilianischen Herstellers Embraer übernehmen. Von den Herausforderern aus Russland und China war praktisch nichts zu sehen.
Insgesamt sammelte der US-Konzern Boeing auf der Messe Aufträge und Vorverträge über 528 Verkehrsflugzeuge ein, wie er am Donnerstag auf der Luftfahrtschau südwestlich von London mitteilte. Der europäische Airbus-Konzern kam auf 431 Maschinen.
Löwenanteil entfällt auf Boeing 737-MAX und Airbus A320neo
Auf das laufende Jahr gesehen, liegen die Amerikanern den Angaben zufolge noch deutlicher vor Airbus. Während der Konzern mit Sitz im französischen Toulouse seit Januar Bestellungen und Vorverträge über 752 Flugzeuge vorweisen kann, kommen die Amerikaner bereits auf mehr als mehr als 1000 Maschinen, wie Boeings Vertriebschef Ihssane Mounir vorrechnete.
Der Löwenanteil der Bestellungen entfiel bei beiden Herstellern auf die Mittelstreckenjets wie die Boeing 737-MAX und den Airbus A320neo. Beide Hersteller konnten aber auch bei den grösseren Passagiermaschinen wie der Boeing 777 und dem «Dreamliner» sowie den Airbus-Modellen A350 und A330neo punkten. Die Amerikaner verkauften zudem eine Reihe von Frachtmaschinen, unter anderem an die Deutsche Post DHL und den russischen Logistikkonzern Volga-Dnepr.
AirAsia stockt Bestellung bei Airbus auf 100 Maschinen auf
Am Donnerstag schlug bei Airbus erneut die Billigfluglinie AirAsia zu. Deren Langstrecken-Ableger AirAsia X stockte eine bestehende Order für den modernisierten Langstreckenflieger A330neo um 34 Maschinen auf 100 Jets auf. Für den von Bombardier übernommenen Mittelstreckenjet C-Serie, der jetzt Airbus A220 heisst, unterschrieb eine neue US-Fluglinie bereits am Dienstag einen Vorvertrag über 60 Maschinen. Für zahlreiche Aufträge, die etwa bei Boeing mehrere hundert Jets umfassen, blieben die Auftraggeber zunächst ungenannt.
Zusammenarbeit mit Bombardier und Embraer bei kleineren Maschinen
Unterdessen vergrössern die Branchengrössen weiter ihre Marktmacht. Mit Airbus› Übernahme des Bombardier-Jets und Boeings Deal mit Embraer erweitern beide Konzerne ihre Produktpalette um kleinere Maschinen. Der Flugzeug- und Zughersteller Bombardier war in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Embraer ist wiederum bei den kleineren Regional- und Geschäftsflugzeugen Bombardiers wichtigster Rivale – und arbeitet schon länger mit Boeing zusammen.
Aus Sicht des Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kann die wachsende Marktmacht der Grossen für Fluggesellschaften und Passagiere teuer werden. Denn die Fluggesellschaften hätten nur zwei Hersteller zur Auswahl, und deren Produktion bei der meistgefragten Flugzeugklasse, den Mittelstreckenjets, sei praktisch über Jahre hinweg ausgebucht, urteilt IW-Unternehmensexperte Klaus-Heiner Röhl. Dadurch könnten Boeing und Airbus ihre Preise zu Lasten der Kunden hoch halten.
Hype um Anbieter aus China, Russland und Japan vorbei
Aufkommende Konkurrenz aus dem Osten sieht er vorerst nicht als Gefahr für die Marktführer. «Der Hype um neue Wettbewerber im Passagierflugzeugmarkt aus China, Russland und Japan scheint vorbei zu sein.» So finde der russische Regionalflieger Superjet 100 im Ausland keine Kunden. «Ein ähnliches Schicksal droht den grösseren Maschinen Irkut MS-21 aus Russland sowie C919 aus China», schätzt Röhl. Verzögerungen in Entwicklung und Fertigung liessen das Vertrauen der Fluggesellschaften in die neuen Hersteller schwinden.
MS-21 und C919 waren im vergangenen Jahr zu ihren ersten Testflügen abgehoben. Beide zielen auf das Marktsegment der Verkaufsschlager Boeing 737-MAX und Airbus A320neo. Wichtige Teile wie die Triebwerke beziehen Russen und Chinesen von etablierten Herstellern aus dem Westen. Dennoch waren die Mittelstreckenjets aus Russland und China auf Messen im Ausland bisher nicht zu sehen. In Farnborough fehlte diesmal auch der Superjet 100. Der japanische Flugzeugbauer Mitsubishi zeigte zwar seinen Regionaljet MRJ, muss aber um Aufträge ringen.
Engpässe bei Zulieferern
Unterdessen können sich die Marktführer vor Bestellungen für ihre Mittelstreckenjets Airbus A320neo und Boeing 737-MAX kaum retten, die sie mit neuen Triebwerken auf weniger Spritverbrauch getrimmt haben. Die Werke sind auf Jahre hinaus praktisch ausgebucht. Vor allem Engpässe bei Zulieferern wie Triebwerksbauern hindern Boeing und Airbus daran, die Produktion der Jets noch schneller und weiter hochzufahren als ohnehin vorgesehen.
Während Bestellungen für den weltgrössten Passagierjet Airbus A380 erneut ausblieben, zeichnet sich eine Zukunft für gebrauchte Jets des Typs ab – und zwar im Mieteinsatz bei wechselnden Airlines. «Die Fluglinien stehen bei uns Schlange», sagte der Chef der portugiesischen Fluggesellschaft Hi Fly, Paulo Mirpuri. Die Gesellschaft hat eine gut zehn Jahre alte A380 von Singapore Airlines übernommen. Hi Fly vermietet Flugzeuge samt Besatzung und Wartung an andere Fluglinien und befördert in deren Auftrag deren Fluggäste. (awp/mc/pg)