Chicago – Der Konkurrenzkampf von Boeing und Airbus um die Vorherrschaft am Himmel wird künftig wohl auch bei kleineren Maschinen ausgefochten. Der US-Flugzeugbauer Boeing will sich die Regionaljets seines brasilianischen Rivalen Embraer einverleiben. In einem Milliardendeal soll der US-Konzern dazu die Mehrheit an Embraers Verkehrsflugzeug-Sparte übernehmen, wie beide Seiten am Donnerstag in Chicago und Sao Paulo mitteilten. Zuvor hatte sich Airbus bereits mit Embraers kanadischem Rivalen Bombardier verbündet.
Bei der Transaktion soll Embraers Verkehrsflugzeug- und Service-Geschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen eingehen, an dem Boeing 80 Prozent und Embraer 20 Prozent der Anteile hält. Insgesamt soll das Joint Venture 4,75 Milliarden US-Dollar (4,1 Mrd Euro) wert sein.
Boeing im Segment von Maschinen mit 100 Sitzen bisher nicht vertreten
Embraer mit seinen E- und E2-Jets ist neben Bombardier der zweite wichtige Anbieter von Regionalflugzeugen mit rund 100 Sitzen. Boeing ist in diesem Segment bisher nicht vertreten. Der kleinste aktuelle Boeing-Mittelstreckenjet 737-MAX-7 bietet typischerweise Platz für 138 bis 153 Passagiere. Am oberen Ende steht die Boeing 747-8 mit über 400 Plätzen.
Mit ihrer bisherigen Produktpalette konkurrieren die US-Amerikaner mit dem europäischen Rivalen Airbus. Dieser hat vor wenigen Tagen auch die Mehrheit an Bombardiers bisher grösstem Flugzeugmodell, der C-Serie, übernommen. Diese fasst je nach Version typischerweise 100 bis 150 Fluggäste. Embraers E2-Jets kommen üblicherweise auf rund 80 bis 130 Sitzplätze.
Vollzug spätestens Ende 2019
Boeing und Embraer sehen ihre geplante Partnerschaft als natürliche Weiterentwicklung der mehr als 20-jährigen Zusammenarbeit. Mit dem Bündnis seien beide Unternehmen hervorragend aufgestellt, Werte für ihre Kunden, Mitarbeiter und Anteilseigner zu generieren, sagte Boeing-Chef Dennis Muilenburg. Die Vereinbarung stärke beide Unternehmen auf dem Weltmarkt, ergänzte Embraer-Chef Paulo Cesar de Souza e Silva.
Vollzogen werden soll der Zusammenschluss spätestens Ende kommenden Jahres. Die Unternehmen hatten bereits länger verhandelt, Ende 2017 bestätigten sie entsprechende Gespräche. Die Kartellbehörden und die Aktionäre müssen dem Deal aber noch zustimmen.
Politischer Widerstand in Brasilien
Erschwert wurde das Bündnis durch politischen Widerstand aus Brasilien, da Embraer auch Militärflugzeuge und Sicherheitstechnik entwickelt und baut. Der Staat hält an Embraer eine sogenannte Goldene Aktie und kann damit weitreichende Entscheidungen blockieren. Das bestehende Militärgeschäft soll weiter ganz bei Embraer bleiben – ebenso wie die Sparte für Geschäftsreise-Flugzeuge. Zusammenarbeiten wollen beide Gesellschaften wie bisher bei der Vermarktung von Embraers Militärtransporter KC-390. Zudem wollen sie gemeinsam Produkte für den Rüstungsbereich entwickeln. Dafür soll ein zweites Gemeinschaftsunternehmen entstehen.
Obwohl Embraer an seinem Verkehrsflugzeug-Geschäft künftig nur noch ein Fünftel der Anteile hält, soll der Bereich weiterhin aus Brasilien heraus geführt werden. Dazu zählen auch die Posten des Verwaltungsratschefs und des Vorstandschefs. Von Seiten der US-Amerikaner aus soll das Joint Venture direkt Boeing-Chef Dennis Muilenburg unterstellt sein.
Der Manager rechnet damit, dass das neue Gemeinschaftsunternehmen bereits im Jahr 2020 zu Boeings Gewinn je Aktie beiträgt. Ab dem dritten Jahr erwartet er Synergien von jährlich rund 150 Millionen Euro vor Steuern. Die Umsatz- und Gewinnprognosen für das laufende Jahr seien von dem Deal nicht beeinträchtigt, erklärte Boeing.
Der US-Konzern rechnet für 2018 bislang mit einem Umsatz von 96 bis 98 Milliarden US-Dollar und einem Gewinn je Aktie von 16,40 bis 16,60 Dollar. Dazu will er 810 bis 815 Verkehrsflugzeuge ausliefern und damit seine Rolle als weltgrösster Flugzeugbauer vor Airbus verteidigen, der bisher rund 800 Flugzeuge anpeilt. Zum Vergleich: Embraer lieferte im vergangenen Jahr 101 Verkehrsflugzeuge und 109 Geschäftsreise-Jets aus. (awp/mc/pg)