EU-Handelskommissar Karel De Gucht.
Brüssel – Kurz bevor die US-Luftwaffe ihren «Jahrhundertauftrag» für Tankflugzeuge vergibt, läuft der Streit um staatliche Milliardenhilfen für Airbus und Boeing auf seinen Höhepunkt zu. Nach Ansicht der Welthandelsorganisation WTO haben sowohl die Europäer als auch die US-Amerikaner unzulässigerweise Subventionen gezahlt.
Beide Seiten reklamieren dies als Sieg für sich und behaupten, den grösseren Schaden davongetragen zu haben. «Der fundierte Bericht zeigt einmal mehr, dass die Subventionen der US-Regierung (für Boeing) negative Folgen für die Industrie in der EU haben», sagte John Clancy, Sprecher von EU-Handelskommissar Karel De Gucht, am Montag in Brüssel. Die US-Regierung hält dessen ungeachtet an ihrer Auffassung fest, «dass die Subventionen der EU an Airbus jegliche Subventionen der USA an Boeing klein erscheinen lassen.» Die Vereinigten Staaten seien zuversichtlich, dass auch die WTO zu diesem Schluss komme, sagte ein Sprecher in Washington.
Jahrelanger Konflikt
Der transatlantische Konflikt über Staatsbeihilfen beschäftigt die WTO seit Jahren. Die Auseinandersetzung hat angesichts des bevorstehenden, mindestens 35 Milliarden Dollar schweren Auftrags für 179 neue Tankflugzeuge der US Air Force zusätzliche Sprengkraft bekommen. Darum bewerben sich sowohl Boeing als auch der Airbus- Mutterkonzern EADS . Mit einer Entscheidung des Pentagon wird in nächster Zeit gerechnet.
Jedem Streithahn sein Verfahren
Die Streitparteien haben sich bei der WTO gegenseitig verklagt, weshalb nun zwei Verfahren laufen. Im Fall der US-Klage gegen die EU hat die WTO im vergangenen Jahr ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin kamen die WTO-Experten zu dem Schluss, dass beispielsweise Teile der rückzuzahlenden Anschubfinanzierung für den Grossflieger Airbus A380 illegale Exportsubventionen seien. Die EU-Kommission legte gegen den Bericht jedoch Berufung ein. Der jetzt vorgelegte WTO-Bericht beschäftigt sich mit den US- Staatshilfen für Boeing. Airbus wertete das Schriftstück als Beleg dafür, dass «jahrzehntelang rechtswidrig massive staatliche Subventionen» geflossen seien. «Boeing wäre ohne die Gelder nicht in der Lage gewesen, die Langstreckenmaschine 787 («Dreamliner») einzuführen», kommentierte das europäische Unternehmen.
Umsatzausfälle in Milliardenhöhe
Der Bericht beziffere die Summe der bereits geflossenen illegalen Subventionen auf mindestens 5 Milliarden Dollar. Geplante Beihilfen in Höhe von 2 Milliarden Dollar seien ebenfalls als rechtswidrig betrachtet worden. Airbus rechnete vor, wegen der Subventionen an Boeing rund 45 Milliarden Dollar an Umsatz verloren zu haben. «Nichts in dem heutigen Bericht lässt sich auch nur ansatzweise mit den 20 Milliarden Dollar an illegalen Subventionen vergleichen, die die WTO bei Airbus/EADS gefunden hat», wehrte sich Boeing. Ohne die Hilfen wäre Airbus ein weitaus schwächeres Unternehmen, erklärte der US-Konzern in einer Stellungnahme. Der WTO-Bericht liegt derzeit nur den Streitparteien vor. Das Dokument wird erst später der Öffentlichkeit präsentiert. (awp/mc/ps/31)