Boeing-Urteil: Selenskyj will Kreml strafen
Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Verurteilung der Verantwortlichen für den Abschuss der Passagiermaschine MH17 vor gut acht Jahren als «sehr wichtig bezeichnet». Aber erst, wenn auch deren Führung in Russland dafür verurteilt werde, sei dies eine sichere Basis für den Frieden, fügte er in seiner Videobotschaft am Donnerstag hinzu. Zuvor hatte er bereits auf Twitter deutlich gemacht, dass er die russische Führung in der Verantwortung sieht. Straflosigkeit führe zu weiteren Straftaten, fügte er zudem in Anspielung auf den Ende Februar gestarteten russischen Angriffskrieg gegen sein Land hinzu.
Ein niederländisches Gericht hatte zuvor zwei Russen und einen Ukrainer in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie sollen ein Luftabwehrsystem vom Typ Buk aus Russland in die Ostukraine gebracht und damit das Passagierflugzeug mit der Flugnummer MH17 abgeschossen haben. Alle 298 Insassen der Boeing, die auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur war, kamen beim Absturz im Juli 2014 ums Leben.
Moskau weist Urteil zurück
Russland wies derweil erwartungsgemäss den Schuldspruch des niederländischen Gerichts zum Abschuss der Passagiermaschine als politisch motiviert zurück. «Sowohl der Verlauf als auch die Ergebnisse der Verhandlung zeugen davon, dass ihr der politische Auftrag zugrunde lag, die Version (…) von einer Beteiligung Russlands an der Tragödie zu stärken», teilte das russische Aussenministerium am Donnerstag auf seiner Homepage mit.
Die russische Führung hatte den Prozess schon früher abgelehnt und eine Mitverantwortung stets abgestritten. «Die Verhandlung in den Niederlanden hat alle Chancen als eine der skandalträchtigsten in die Geschichte einzugehen – mit seiner langen Liste von Merkwürdigkeiten, Ungereimtheiten und fragwürdigen Schlussfolgerungen der Anklage, die nichtsdestotrotz in das Verdikt eingeflossen sind», kritisierte das Aussenministerium nun noch einmal.
Selenskyj begrüsst Verlängerung des Getreidedeals
Selenskyj zeigte sich in seiner Videobotschaft zugleich zufrieden mit dem Verlängerung des Getreidedeals. «Trotz aller Schwierigkeiten, trotz diverser Manipulationen durch Russland, werden wir weiterhin landwirtschaftliche Produkte über unsere Häfen am Schwarzen Meer exportieren», sagte der 44-Jährige. Das kurz vor dem Ablauf stehende Abkommen war am Donnerstag unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen um 120 Tage verlängert worden.
Selenskyj hob die Bedeutung des ukrainischen Getreideexports für die Lebensmittelversorgung der ärmeren Länder hervor. Aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen um Odessa seien seit Beginn des Korndeals, der eine monatelange russische Seesperre zuvor beendete, rund 450 Schiffe ausgelaufen, die Nahrungsmittel in Länder wie Äthiopien, Bangladesch, Somalia oder den Sudan gebracht hätten.
Duda: Beteiligung ukrainischer Ermittler nicht ohne Weiteres möglich
Eine Beteiligung ukrainischer Spezialisten an den Ermittlungen zum Raketeneinschlag auf polnischem Staatsgebiet ist nach Aussage von Polens Präsidenten Andrzej Duda an die Vorschriften der internationalen Rechtshilfe gebunden. «Wenn Gäste aus der Ukraine die laufenden Ermittlungen anschauen möchten, dann wird es möglich sein, ihnen das zu zeigen, so wie es mir heute gezeigt wurde», sagte Duda am Donnerstag nach einem Besuch an der Einschlagstelle in dem Dorf Przewodow.
«Aber wenn es um die aktive Teilnahme an den Ermittlungen geht, um den Zugang zu Dokumenten, zu Informationen, dann bedarf es schon spezifischer vertraglicher Grundlagen im Sinne des internationalen Rechts und internationaler Abkommen.» Selenskyj hatte zuvor gesagt, Fachleute aus seinem Land dürften an der Untersuchung teilnehmen. Dazu sei die entsprechende Bestätigung aus Polen gekommen.
IAEA fordert russischen Abzug aus AKW Saporischschja
Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) forderte Russland zur Aufgabe des besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja aufgefordert. Moskau solle sein militärisches und ziviles Personal sofort abziehen und seinen «unbegründeten Besitzanspruch» auf das AKW im Südosten der Ukraine aufgeben, hiess es in einer Resolution, die das Gremium am Donnerstagabend in Wien verabschiedete. Der Gouverneursrat zeigte sich auch äusserst besorgt, dass ukrainische Mitarbeiter der Anlage von russischer Seite unter Druck gesetzt würden, und dass es auch zu Festnahmen gekommen sei.
Die nunmehr dritte IAEA-Resolution gegen Russland seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine wurde laut Diplomaten von 24 Staaten unterstützt. China und Russland stimmten dagegen. Das AKW Saporischschja steht seit März unter russischer Besatzung. Das grösste Kernkraftwerk Europas kam seitdem immer wieder unter Beschuss.
US-Waffenhilfe für Ukraine geht weiter
Die militärische Unterstützung aus den USA beläuft sich nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums auf 18,6 Milliarden Dollar (17,96 Milliarden Euro) seit Beginn des Krieges Ende Februar. In den vergangenen Monaten brachten die Amerikaner in rasanter Abfolge diverse Pakete auf den Weg – oft auch aus Beständen des US-Militärs. Das Pentagon bekräftigte am Donnerstag, dass die eigene Einsatzbereitschaft der Amerikaner dadurch nicht gefährdet sei. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass die USA manche Waffen bald nicht mehr liefern könnten. (awp/mc/pg)