Capri – Angesichts der Kriege in der Ukraine und Nahost will die Siebenergruppe grosser westlicher Industrienationen (G7) ein Zeichen der Geschlossenheit setzen. Bei ihrem Frühjahrstreffen auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri berieten die Aussenminister am Donnerstag über weitere militärische Unterstützung für Kiew gegen russische Angriffe aus der Luft. Zudem ging es nach dem iranischen Grossangriff auf Israel um weitere Sanktionen gegen Teheran – auch mit dem Ziel, den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu von einem grossangelegten Gegenschlag abzuhalten.
Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warb bei dem noch bis Freitag dauernden Treffen bei den Partnern dafür, der Ukraine weitere Systeme zur Luftabwehr zur Verfügung zu stellen. Deutschland bereitet gerade die Lieferung eines dritten Patriot-Systems vor. Italien hat in der Gruppe derzeit den Vorsitz. Weitere Mitglieder sind die USA, Kanada, Grossbritannien, Frankreich und Japan sowie die EU. Erstmals war auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als offizieller Gast eingeladen.
Beim zweiten grossen Thema des Treffens warb Baerbock für einen härteren Kurs gegen Teheran. «Der Iran muss isoliert sein. Und zugleich darf es zu keiner weiteren Eskalation kommen.» Sie fügte hinzu: «Das wäre für die Menschen fatal: in Israel, im Westjordanland, im Libanon, in der gesamten Region.» Israel, das die Attacke am Wochenende auch mit Hilfe von Partnern in der Region abgewehrt hatte, habe damit einen «Defensivsieg» errungen. «Und den gilt es jetzt diplomatisch abzusichern.»
Der Gastgeber des Treffens, Italiens Aussenminister Antonio Tajani, versicherte Israel im Namen aller G7-Staaten Unterstützung. «Wir sind Freunde Israels. Wir unterstützen Israel», sagte er. Zugleich mahnte er beide Seiten zur Deeskalation. Befürchtet wird, dass es bei einem grossen israelischen Gegenschlag in der gesamten Region zu einem Flächenbrand kommt, weit über den seit sechs Monaten laufenden Gaza-Krieg hinaus.
In der Debatte um weitere Sanktionen gegen den Iran sprach sich der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell dafür aus, bestehende Strafmassnahmen wegen der Lieferung von Drohnen an Russland endlich umzusetzen beziehungsweise auszuweiten. «Das Wichtige ist oft die Umsetzung einer Entscheidung», sagte der Spanier.
Baerbock wollte auch bei einem Zweiertreffen mit ihrem US-Kollegen Antony Blinken für die Lieferung zusätzlicher Patriot-Einheiten werben. Die Grünen-Politikerin sagte zuvor: «In diesen stürmischen Zeiten ist es ein hoffnungsvolles Zeichen, dass es jetzt aus den USA Signale gibt von den Republikanern, dass die Unterstützung für die Ukraine weiter intensiv fortgesetzt werden kann.»
Blinken traf sich auch mit dem ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba, der ebenfalls als Gast dabei war. Kuleba berichtete anschliessend auf der Plattform X, man habe detailliert die Bemühungen besprochen, so schnell wie möglich mehr Patriot-Luftverteidigungssysteme und -Raketen in die Ukraine zu bringen. An den US-Kongress appellierte er, endlich ein zusätzliches Hilfspaket zu verabschieden. «Dies wird ein Zeichen der Stärke und des Vertrauens sein und es der Ukraine ermöglichen, Leben zu retten und die Situation auf dem Schlachtfeld zu verbessern.»
In den USA wird das Repräsentantenhaus voraussichtlich am Samstag über das lange verzögerte Hilfspaket für Kiew im Wert von 61 Milliarden US-Dollar abstimmen. Zudem hiess es in Washington, Präsident Joe Biden solle der Ukraine «so bald wie machbar» weitreichende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert immer wieder Patriot-Flugabwehrsysteme, um russische Raketen und Drohnenangriffe abzuwehren. Zur Abriegelung des Luftraums seien 25 Systeme mit jeweils 6 bis 8 Batterien nötig.
Baerbock sagte, beim jüngsten Nato-Treffen in Brüssel habe man sehr intensiv darüber gesprochen, «wie wir jetzt unsere Stärke zeigen können, indem wir die Ukraine mit allem unterstützen, was wir haben». Dabei spielten die USA eine wichtige Rolle. Mit Blick auf die US-Republikaner fügte sie hinzu, die Bundesregierung habe «stark dafür geworben, dass es weiterhin die so wichtige und intensive Unterstützung der Amerikaner gibt, mit Systemen und ebenso auch mit finanziellen Mitteln».
Borrell mahnte ebenfalls zu schnellem Handeln. «In den nächsten Tagen müssen konkrete Entscheidungen getroffen werden, um der Ukraine mehr Luftabwehr zu schicken.» Andernfalls werde das Elektrizitätssystem der Ukraine zerstört. Dabei dürfe sich die EU nicht allein auf Washington verlassen, sondern müsse selbst Verantwortung übernehmen. «Wir haben Patriots. Wir haben Anti-Raketen-Systeme. Wir müssen sie aus unseren Kasernen holen, wo sie sich befinden, und sie in die Ukraine schicken, wo der Krieg tobt.» (awp/mc/ps)