Luiz Inácio Lula da Silva.
Brasilia – Spektakuläre Personalrochade in Brasilien: Der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wird inmitten einer schweren politischen Krise neuer Chef der Casa Civil, die die Regierungsgeschäfte von Präsidentin Dilma Rousseff steuert. «Lula neuer Minister», teilte der Vize-Chef der seit 2003 regierenden Arbeiterpartei, José Guimaraes, am Mittwoch mit. Der Posten ist vergleichbar eines Premierministers und der zweitwichtigste Posten.
Lula wird damit einen der einflussreichsten Posten in der Regierung übernehmen – er will vor allem mit neuen Impulsen die ökonomische Krise bekämpfen, die Wirtschaftsleistung war 2015 um 3,8 Prozent eingebrochen, dem fünftgrössten Land der Welt droht die schwerste Rezession seit 1930. Erst am Sonntag waren nach Polizeiangaben landesweit bis zu 3,6 Millionen Menschen auf die Strassen gegangen, um die Amtsenthebung der bis Ende 2018 gewählten Rousseff zu fordern.
Lula unter Korruptionsverdacht
Gegen Lula laufen Korruptionsermittlungen, unter anderem wegen Ungereimtheiten bei einem Luxusapartment an der Atlantikküste, die Staatsanwaltschaft Sao Paulo hat sogar deshalb Untersuchungshaft beantragt. Mit dem Aufrücken in die Regierung werden die Hürden für einen Prozess deutlich höher, weil nur der Oberste Justizgerichtshof über das Vorgehen gegen ihn urteilen kann. Die Arbeiterpartei steht im Fokus des milliardenschweren Skandals um Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras – Rousseff wird vorgeworfen, Ermittlungen zu behindern, was sie bestreitet.
Der 70jährige Lula ersetzt in der neuen Funktion Jaques Wagner. Rousseff dürfte auf Lulas immer noch grosse Beliebtheit bei ärmeren Schichten setzen, für die er in seiner Amtszeit (2003 – Anfang 2011) umfassende Sozialprogramme initiierte und die Armut so spürbar zurückging. Zudem ist er weiter bestens vernetzt, vor allem in der von ihm gegründeten Arbeiterpartei – die nicht mehr uneingeschränkt hinter Rousseff steht. Sie selbst war unter Lula Ministerin und Kabinettschefin.
Desaströse Umfragewerte
Die Zustimmung zu Rousseff liegt nur noch bei zehn Prozent. Die Opposition kündigte bereits massiven Widerstand gegen die Rochade an. Rousseff steht mit dem Rücken zur Wand, sie kann kaum noch im Abgeordnetenhaus notwendige Reformen durchsetzen, zudem wurden erste Schritte für eine Amtsenthebung eingeleitet. Dabei geht es um mögliche Unregelmässigkeiten der Finanzierung der Kampagne für ihre Wiederwahl 2014. Der wichtigste Koalitionspartner, die Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB), will angesichts der Krise bis spätestens April entscheiden, ob er die Regierung verlassen wird. (awp/mc/pg)