Lugano-Deklaration verknüpft Wiederaufbau der Ukraine mit Reformagenda
Lugano – In der am Dienstag verabschiedeten Lugano-Deklaration wird der Wiederaufbau- und Entwicklungsplan für die Ukraine mit einer umfassenden Reformagenda verknüpft. Die Erklärung von Lugano sieht zudem eine Koordinierungsplattform zwischen der Ukraine und ihren Partnern vor. Sieben «Prinzipien von Lugano» sollen den Wiederaufbau leiten.
Die Konferenzteilnehmer verurteilen Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine «auf das Schärfste», wie es zu Beginn der Erklärung von Lugano heisst.
Die Teilnehmerländer der Konferenz erklären, sich «uneingeschränkt für die Unterstützung der Ukraine auf ihrem Weg von der frühen zur langfristigen Erholung» einzusetzen und dies mit der europäischen Perspektive der Ukraine und ihrem Status als EU-Kandidatenland zu verknüpfen. Jegliche koordinierte Form politischer, finanzieller und technischer Unterstützung werde begrüsst, heisst es da.
Beim Wiederaufbau des Landes sei auf bestehende Strukturen aufzubauen. Überdies beabsichtigt die Erklärung von Lugano eine Verknüpfung des Wiederaufbaus mit der umfassenden Reformagenda. In der Deklaration wird festgehalten, dass Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht für die erfolgreiche Umsetzung des nationalen Konjunktur- und Entwicklungsplans wesentlich seien.
Hochrangige Expertenkonferenz geplant
Weiter ist in der Erklärung festgehalten, dass der Wiederaufbau- und Entwicklungsplan ein «lebendiges Dokument» sei, dass im Laufe der Zeit konsultiert und angepasst werden müsse, um veränderten Umständen Rechnung zu tragen. Die der Erklärung beigefügten Leitprinzipien würden gebilligt.
Die Deklaration sieht weiter die Implementierung einer Koordinationsplattform zwischen der Regierung der Ukraine und allen ihren bilateralen und multilateralen Partnern, Organisationen und und internationalen Finanzinstitutionen vor. Auch die Initiative des G7-Vorsitzes zur Einberufung einer internationalen hochrangigen Expertenkonferenz wird positiv bewertet.
Die Finanzierung des Wiederaufbaus solle fair und transparent vonstatten gehen. Die der Erklärung beigefügten «Lugano-Grundsätze» – Reformen, Partnerschaft, Transparenz, Mitwirkung, Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit und Multi-Stakeholder-Engagement – würden gebilligt, hiess es.
Innovation soll gefördert werden
Spezielles Augenmerk legt die Deklaration auf die Innovation. So sollen innovative Ansätze wie die digitale Transformation, der Übergang zu grüner Energie, eine Energiewende, nationale und internationale innovative und nachhaltige Finanzierung gefördert werden.
Der private Sektor, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft sowie Akteure auf subnationaler Ebene werden zu Partnerschaften mit Städten, Spitälern und anderen ukrainischen Partnern eingeladen.
Abschliessend wird in der Deklaration von Lugano das Angebot Grossbritanniens begrüsst, die nächste Konferenz auszurichten. Am Dienstag kündigte zudem Deutschland an, 2024 die übernächste Ukraine-Wiederaufbaukonferenz zu organisieren.
Aussenminister Ignazio Cassis zeigte sich an der ausschliesslich für Schweizer Journalisten organisierten Medienkonferenz am frühen Dienstagabend sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Insbesondere der Umstand, dass sich weitere Länder bereit erklärten, die nächsten Treffen zu organisieren, mache ihn froh, sagte Cassis.
Das während der zweitägigen Wiederaufbaukonferenz Erreichte solle den Grundstein legen für mehr als nur den Wiederaufbau, hielt Aussenminister Ignazio Cassis am Dienstag fest. Die in Lugano vollbrachte Arbeit sei eine Vorbereitung für die Zeit nach dem Krieg. Cassis betonte an der Konferenz mehrfach, dass die Leitung des Wiederaufbaus bei der Ukraine selbst liegen solle.
Schmyhal verspricht Bekämpfung der Korruption
Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal sprach am Dienstag von einem «guten Boden für künftige Konferenzen». Er versprach, sich für Rahmenbedingungen einzusetzen, die Korruption in seinem Land verunmöglichten.
Auch zu den Kosten des Wiederaufbaus nahm Schmyhal in der Abschluss-Medienkonferenz in Lugano Stellung. Am Montag war von 750 Milliarden Franken die Rede gewesen, um das kriegsversehrte Land wiederaufzubauen.
Neben konfiszierten Geldern von russischen Staatsbürgern sollten auch Mittel aus dem Budget des ukrainischen Staats sowie Zuschüsse von Partnern in den Wiederaufbau fliessen, erklärte Schmyhal auf die Frage einer Journalistin. Es sei wichtig, möglichst rasch mit dem Wiederaufbau zu beginnen.
Es gehe auch um ein Signal an die Adresse künftige Aggressoren, fuhr Schmyhal fort. Diese sollten wissen, dass sie für den Wiederaufbau eines kriegszerstörten Landes bezahlen müssten.
Schweiz verdoppelt ihre Hilfe
Aussenminister Ignazio Cassis ergänzte, dass der Privatsektor mit Sicherheit viel Geld in der Ukraine investieren werde, sobald politisch wieder stabilere Verhältnisse herrschten.
Juristen betonen, wie schwierig es sei, eingefrorene Vermögenswerte zu konfiszieren und zu verwenden. Nötig wären unter Umständen Urteile vor internationalen Gerichten. Oligarchen müsste eine direkte Verantwortung für Beiträge zum Kriegsgeschehen nachgewiesen werden.
Ebenfalls am Dienstag kündigten mehrere Delegationen zusätzliche Hilfen oder die Auszahlung zugesagter Hilfen in den kommenden Monaten an. Die Schweiz wird ihre Unterstützung für die Ukraine bis Ende 2023 auf 100 Millionen Franken verdoppeln. Mit 15 Millionen Franken soll die digitale Wirtschaft des Landes unterstützt werden. (awp/mc/ps)