Brüssel – Doppelter Rückschlag für den EU-Gipfel: Die 28 Staats- und Regierungschefs haben nicht zur Rettung des Handelspakts Ceta betragen können und einigten sich auch nicht auf einen harten Kurs gegen Russland im Syrien-Konflikt. Besonders der Abbruch der Ceta-Verhandlungen droht die Union tiefer in die Krise zu stürzen. Ein Scheitern des seit 2009 ausgehandelten Deals würde die Glaubwürdigkeit der EU beschädigen. Bei anderen Themen wie Migration und Brexit blieben die Entscheidungen im Rahmen der Ankündigungen.
Nach dem Gipfel blieb offen, wie die Union das Gezerre um Ceta bis zur geplanten Unterzeichnung des Handelsabkommens mit Kanada am kommenden Donnerstag beenden will. Wenige Stunden später folgte der Knall: Eine zermürbte kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland erklärte, dass sie derzeit keine Chance mehr für das Abkommen sehe. Sie war zu Verhandlungen in Wallonien, der kleinen belgischen Provinz, die sich querlegt und damit die Unterzeichnung von Ceta blockiert.
Hoffen auf (späte) Lösung
Die EU-Kommission versuchte, die Wogen zu glätten. «Ich bin wirklich traurig, dass die Gespräche gestoppt worden sind. Hoffe, noch eine Lösung zu finden, um Ceta zu unterzeichnen», schrieb Handelskommissarin Cecilia Malmström bei Twitter. Der wallonische Regierungschef Paul Magnette sprach vage davon, «vielleicht eines Tages» die Gespräche wieder aufnehmen zu können.
Die EU-Spitzen fürchten um die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft als internationaler Partner. Würde Ceta scheitern, würde künftig wohl kaum noch ein solches Abkommen zustandekommen. Österreichs Regierungschef Christian Kern sagte, die Debatte sei ein Signal, dass es so in der EU nicht weitergehen könne.
Belgien braucht für die Unterschrift die Zustimmung der Wallonie, und die EU braucht die Unterschrift Belgiens. Einen von der EU-Kommission vermittelten Kompromiss hatte die Regionalregierung am späten Donnerstagabend abgelehnt und weitere Nachverhandlungen gefordert. Belgiens Regierungschef Charles Michel gestand ein, dass er in der Frage weitgehend machtlos sei. Regionalchef Magnette nannte als Streitpunkt unter anderem die in dem Abkommen vorgesehenen Schiedsgerichte. Die Vorbehalte Bulgariens und Rumäniens wurden hingegen mit der Zusage Kanadas für Visafreiheit ausgeräumt, wie Juncker sagte.
Mildere Wortwahl gegenüber Russland
Merkel kam in ihrer Abschlusspressekonferenz zurück auf die Gipfeldebatte am Donnerstagabend über die EU-Linie gegen Russland wegen der Syrien-Politik. Sie hätte eine schärfere Formulierung zu möglichen Massnahmen gegen Russland vorgezogen, sagte Merkel. Die 28 Staats- und Regierungschefs hatten sich aber nicht auf eine Drohung mit «restriktiven Massnahmen» einigen können, die Wortwahl wurde abgemildert.
Merkel meinte dennoch, man werde wenn nötig auch wieder auf Sanktionen zurückkommen. «Um der Menschen Willen wäre es mir Recht, wir würden einen dauerhaften Waffenstillstand bekommen und würden dann auch Hilfsmassnahmen ergreifen können.»
Es wäre falsch zu sagen, dass sie die Geduld mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verliere, sagte die Kanzlerin. «Politische Probleme löst man nur mit Geduld.» Sie nannte die Angriffe auf die syrische Stadt Aleppo erneut unmenschlich.
Am ersten Gipfeltag hatten die 28 EU-Staaten auch die strikte Linie gegen illegal eingewanderte Menschen bekräftigt. Sogenannte Migrationspartnerschaften sollen bewirken, dass weniger Menschen über das Mittelmeer aus Afrika kommen und mehr dorthin zurückkehren. (awp/mc/upd/ps)