Charlie Hebdo: Marsch der Tränen, Marsch der Hoffnung

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs führen den Marsch vom Sonntag an.

Paris – Es war ein überwältigender Gedenkmarsch, der durch die Pariser Innenstadt führte. Und überwältigend waren auch die Gefühle: Trauer, Schmerz, Wut, Angst, Solidarität, Hoffnung – all das kam zusammen, als mehr als eine Million Menschen der Opfer der islamistischen Anschlagsserie in Frankreich gedachten und für Freiheit und Toleranz auf die Strasse gingen.

Die Franzosen wollten den tiefen Schock nach den blutigen Attentaten abschütteln. Und eine Reihe von Staats- und Regierungschefs aus aller Welt kamen in die trauernde Stadt der Liebe, um den Franzosen beizustehen.

«Heute ist Paris die Hauptstadt der Welt», sagte ein tief bewegter François Hollande, der seine wohl schwierigste Zeit als französischer Staatschef durchmachen musste. «Das ganze Land erhebt sich hin zum Besseren.»

Flankiert von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem malischen Präsident Ibrahim Boubacar Keita, die Arme untergehakt und in einer Reihe mit weiteren Staats- und Regierungschefs, lief Hollande bei dem «Republikanischen Marsch» mit, und auch der Wettergott schien sich an die Seite Frankreichs gestellt zu haben: Nach verregneten Tagen strahlte am Sonntag die Sonne, die Demonstranten zogen unter einem wolkenlos blauen Himmel von der Place de la République zur Place de la Nation.

«Ich bin Charlie, Polizist, Jude»
Es war ein unüberschaubares Menschenmeer, dass die Demonstrationsstrecke entlangzog – ein beeindruckendes Symbol gegen Intoleranz, Hass, Spaltung und Gewalt. «Das ist ein wahres Zeichen der Stärke Frankreichs», sagte der französische Muslim Lassina Traoré.

Und der jüdische Musiker Daniel Benisty betont: «Wir können zusammenleben, weil wir die gleichen Werte teilen, Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit, wir wollen in Frieden zusammenleben und respektieren den anderen in all seiner Unterschiedlichkeit.»

Doch beim «Republikanische Marsch» stand das Gedenken an die 17 Todesopfer der Anschlagsserie im Vordergrund. «Ich bin Charlie, Jude, Polizist», stand auf vielen Schildern.

Angehörige und Freunde der Geröteten liefen im Demonstrationszug ganz vorne mit, sie unterstützten sich gegenseitig, während Tränen flossen. Hollande nahm einige von ihnen in den Arm, schüttelte Hände, versuchte Trost zu spenden.

Mulmiges Gefühl
Die drei Attentäter wurden bei Einsätzen von Elite-Einheiten der Polizei erschossen. Doch die Franzosen wissen, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist, dass ihr Land immer noch im Visier von Gotteskriegern ist und weitere Anschläge drohen. Viele gingen daher mit einem mulmigen Gefühl zu der Riesendemonstration in Paris, die extrem schwer gegen Attentate zu sichern war.

Für die Sicherheitsbehörden war der «Republikanische Marsch» eine gewaltige Herausforderung, denn schon im Vorfeld war klar, dass Frankreich eine der grössten Demonstrationen – wenn nicht gar die grösste – seiner neueren Geschichte erleben würde. Doch nicht nur die schiere Menschenmenge bereitete den Behörden Kopfzerbrechen.

Auch die Anwesenheit von rund 50 Staats- und Regierungschefs erforderte höchste Sicherheitsvorkehrungen. Tausende Polizisten waren im Einsatz, Scharfschützen wurden auf den Dächern postiert.

«Es ist zu früh für eine solch riesige Demonstration», sagt trotz der Sicherheitsvorkehrungen eine 55-jährige Künstlerin. «Man weiss nicht, was passieren kann, ob die Sicherheitsdienste vorbereitet sind.»

Sie entschloss sich schliesslich trotz ihrer Sorgen zur Teilnahme an der Kundgebung – die Franzosen wollten am Sonntag auch zeigen, dass sie sich von Extremisten und Fanatikern nicht einschüchtern lassen. (awp/mc/ps)

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