Peking/Paris – Die neue Lungenkrankheit hat sich in China stark ausgebreitet und hat inzwischen auch Europa erreicht. In Frankreich wurden am Freitagabend drei Fälle nachgewiesen. Die Patienten sind in Spitälern in Quarantäne.
In China stieg die Zahl der Infizierten nach offiziellen Angaben vom Sonntag auf 1975. Ausser Tibet sind alle Regionen des Landes betroffen. Die Zahl der Toten stieg am Sonntag von 41 auf 56.
Um eine Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verhindern, hat China drastische Massnahmen ergriffen. Mehr als 40 Millionen Menschen in gut einem Dutzend Städten im Herzen des Landes wurden weitgehend von der Aussenwelt abgeschottet, indem der Verkehr gestoppt wurde.
Als erstes Land in Europa meldete Frankreich drei Patienten mit dem neuen Virus. Wie das französische Gesundheitsministerium mitteilte, wurden zwei Fälle in Paris diagnostiziert, ein weiterer in Bordeaux. Alle Patienten hätten sich zuvor in China aufgehalten.
Franzosen nicht schwer erkrankt
Die drei Infizierten Patienten sind offenbar nicht schwer erkrankt. Dem Paar, das im Pariser Spital Bichat wegen der Lungenkrankheit behandelt werde, gehe es gut, erklärten Ärzte am Samstag bei einer Pressekonferenz. Einer von ihnen habe noch etwas Fieber. Der 31-jährige Mann und seine 30 Jahre alte Frau waren demnach am 18. Januar von einem Aufenthalt in Wuhan in Frankreich angekommen.
Auch dem dritten Patienten in Frankreich, der in einer Klinik in Bordeaux behandelt wird, gehe es soweit gut, sagte der Bürgermeister der südwestfranzösischen Stadt, Nicolas Florian, am Samstag. Der 48-jährige Franzose chinesischer Herkunft sei im Weingeschäft tätig und reise zwischen Frankreich und China hin und her, präzisierte der Politiker.
Zwischen 10 und 15 Personen, die mit ihm seit seiner Rückkehr nach Frankreich in Kontakt gewesen seien, habe man identifiziert und informiert, so der Bürgermeister. In Bordeaux wurden aufgrund des Gesundheitsrisikos die Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr an diesem Sonntag abgesagt.
Die Regierung werde alles unternehmen, um eine Ausbreitung des Erregers einzudämmen, sagte Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. «Wir müssen eine Epidemie behandeln wie einen Flächenbrand.» In Bordeaux wurden die Feiern zum chinesischen Neujahr am Sonntag abgesagt.
Importierte Fälle «wahrscheinlich»
Für die EU-Präventionsbehörde ECDC kamen die Fälle nicht unerwartet. «Zu diesem Zeitpunkt ist es wahrscheinlich, dass es mehr importierte Fälle in Europa geben wird», teilte die Behörde mit. Auch wenn viele Details zum Virus noch unbekannt seien, hätten die europäischen Länder die Kapazitäten, um einen Ausbruch direkt nach der Entdeckung von Fällen zu verhindern.
Bestätigte Infektionen wurden auch aus den USA, Japan, Südkorea, Thailand, Vietnam, Singapur, Taiwan und Australien gemeldet. In Grossbritannien wollten Gesundheitsexperten etwa 2000 Fluggäste aus China aufspüren, die in den vergangenen zwei Wochen ins Vereinigte Königreich geflogen sind. Mediziner hielten es für wahrscheinlich, dass sich Infizierte bereits im Land aufhalten.
Arbeitsgruppe in China
Chinas Führung setzte auf höchster Parteiebene eine leitende Arbeitsgruppe zum Umgang mit der Lungenkrankheit ein. Der Beschluss fiel am Samstag auf einer Krisensitzung des Politbüros unter Leitung von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Aus Angst vor einer Einschleppung des Virus stoppt die Hauptstadt Peking von Sonntag an ihren Busverkehr mit den Provinzen. In Peking gibt es bereits rund 30 bestätigte Fälle. Nicht alle werden aber auf Besuche in der schwer betroffenen Provinz Hubei in Zentralchina zurückgeführt.
Dort ist die Elf-Millionen-Metropole Wuhan besonders schwer betroffen. Das neue Coronavirus ist Ende vorigen Jahres vermutlich von einem Tiermarkt der Stadt ausgegangen. Die Spitäler sind völlig überfordert. Nach offiziell unbestätigten Berichten werden Patienten sogar zurückgewiesen, weil es nicht genug Personal und Betten gibt.
Nachdem in Wuhan mit dem Bau eines Hospitals mit 1000 Betten begonnen worden war, soll ein weiteres mit 1300 Betten folgen. Das erste Hospital in Schnellbauweise soll am Montag in einer Woche erste Patienten aufnehmen, das zweite zwei Tage später.
Militärärzte mobilisiert
Aus anderen Teilen Chinas wurden mehr als 1680 Ärzte und Pfleger mobilisiert und nach Wuhan entsandt, darunter 450 vom Militär. Auch wurden 14’000 Schutzanzüge bereitgestellt. Augenzeugen berichten von langen Schlangen an überfüllten Spitälern. Die Lage in den anderen abgeschotteten Millionenstädten war unklar. Der öffentliche Nah- und Fernverkehr, Zug- und Flugverbindungen wurden gestoppt und Ausfallstrassen gesperrt. Von Sonntag an wird auch der gewöhnliche Autoverkehr in den grossen Stadtbezirken Wuhans gestoppt.
Trotz der Abschottung ist die Versorgung der Metropole nach amtlichen Angaben nicht gefährdet. «Die Versorgung der Märkte ist gesichert», versicherte der Gouverneur der Provinz Hubei, Wang Xiaodong. Die Frachtkanäle blieben offen. Auch würden weiter Agrarprodukte aus anderen Provinzen nach Wuhan transportiert.
Beschränkung der Bewegungsfreiheit
Die grösste Gefahr sei die Zu- und Abwanderung der Menschen. Deswegen sei die wichtigste Massnahme im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus die Beschränkung der Bewegungsfreiheit. «Wenn dieses Problem nicht gelöst worden wäre, hätte es grösseren Schaden für Leben und Gesundheit der Menschen auslösen können», rief er nach Angaben der «China Daily» zu Verständnis für die drastischen Massnahmen auf.
Die Regierung ordnete landesweit Kontrollen und Hygienemassnahmen im Transportwesen an. An Flughäfen, Bahnhöfen, Busstationen und Passagierhäfen sollen Fiebermessgeräte installiert werden. Auch müssten Vorkehrungen getroffen werden, wie Infizierte isoliert oder Verdachtsfälle beobachtet werden könnten. Am Samstag stand an vielen Verkehrsknotenpunkten schon Personal, das mit Hand-Messgeräten die Temperatur von Reisenden mass. (awp/mc/ps)