Peking – Chinas Aussenhandel hat mit robusten Daten überzeugt, deren Güte von Experten jedoch zusehends angezweifelt wird. Nach Regierungszahlen vom Mittwoch stiegen die Ausfuhren im April verglichen mit dem Vorjahresmonat um 14,7 Prozent, die Einfuhren erhöhten sich noch deutlicher um 16,8 Prozent. Die Markterwartungen wurden jeweils klar übertroffen. Der Handelsbilanzsaldo, also die Differenz aus Ex- und Importen, stieg kräftig auf 18,2 Milliarden US-Dollar. Im März hatte sich erstmals seit gut zwei Jahren ein Defizit ergeben.
Bankvolkswirte hegen unterdessen immer grössere Zweifel an der Zuverlässigkeit der Zahlen. Sie verweisen zum einen darauf, dass die robusten Aprilwerte nicht zu Handelsdaten aus anderen exportstarken Ländern der asiatischen Region passen. So hatte etwa Südkorea ungewöhnlich schwache Aussenhandelszahlen für April gemeldet.
Ungereimtheiten bei Handelszahlen
Darüber hinaus nennen Beobachter regelmässig wiederkehrende Ungereimtheiten. Beispielsweise sind die Aus- und Einfuhren Chinas nach beziehungsweise aus Hong Kong seit Monaten nicht nur stark schwankungsanfällig. Auch weisen sie extrem hohe Steigerungsraten von bis zu 100 Prozent auf. In der Tendenz ähnlich verhält es sich mit dem Handel Chinas mit Taiwan.
Seit längerem hält sich der Verdacht, dass chinesische Unternehmen fingierte Warengeschäfte nutzen könnten, um Kapitalflüsse nach China zu verschleiern. Aufgrund von Regulierungen kann sich Kapital aus und nach China nicht frei bewegen. Auch der Wechselkurs des Renminbi bildet sich nicht gänzlich frei am Markt. Die chinesische Regierung will damit eine zu starke Aufwertung der heimischen Währung verhindern, weil dies den Export dämpfen würde. Zudem soll vermieden werden, dass zu viel ausländisches Kapital ins Land strömt. Damit soll dem Entstehen von Blasen an den Vermögensmärkten entgegengewirkt werden.
«Nicht überinterpretieren»
Auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Gruppe, warnt vor einer Überbewertung der neusten Daten: «Die Vorjahresdaten waren schwach. Somit macht sich vor allem ein Basiseffekt positiv bemerkbar. Unter dieser Betrachtung relativiert sich das auf den ersten Blick gute Zahlenwerk aus China. Der zugrundeliegende Exporttrend bleibt weiterhin nach unten gerichtet. Die globale Nachfrage bleibt unterdurchschnittlich wie die zuletzt schwachen Ausfuhrzahlen aus Südkorea und Taiwan eindrücklich bewiesen.»
Und, so Gitzel weiter: «Bei genauerer Betrachtung enttäuschen selbst die Importdaten. Während das Plus von 16.8% im Jahresvergleich durchaus beachtlich ist, zeichnet der direkte Monatsvergleich ein eher nüchternes Bild. Der Import von Rohstoffen bleibt hinter den Erwartungen zurück. Gemessen in Tonnen sank im April der Import von Aluminium und Kupfer. Dies lässt wiederum auf einen lauen Expansionspfad in der chinesischen Industrie schliessen. Letztlich kann festgehalten werden: Das chinesische Zahlenwerk bestätigt bei näherer Betrachtung eher das Bild einer für chinesische Verhältnisse schwachen Wirtschaft. Das passt aber wiederum zu der trägen globalen konjunkturellen Entwicklung. (awp/mc/pg)