Chinas Premier Li Keqiang.
Boao – Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hat vorübergehenden Konjunkturprogrammen zur Ankurbelung der schwächelnden chinesischen Wirtschaft eine klare Absage erteilt. In einer Rede auf dem asiatischen Wirtschaftsforum in Boao auf der südchinesischen Tropeninsel Hainan sagte der Premier am Donnerstag: «Wir werden nicht Zuflucht in kurzfristigen Stimulusmassnahmen suchen, nur weil es zwischenzeitlich wirtschaftliche Fluktuationen gibt.» Trotz des langsameren Wachstums der zweitgrössten Volkswirtschaft der Erde strebe seine Regierung vor allem nachhaltige, strukturelle Reformen an.
In seiner Rede auf dem jährlichen Forum, an dem Regierungschefs, Spitzenpolitiker und Hunderte von Wirtschaftsführer aus mehr als 50 Ländern teilnehmen, rief Li Keqiang zu einer Vertiefung der Zusammenarbeit in Asien auf. «Wir leben in einer Ära gegenseitiger Abhängigkeit.» Unter den Teilnehmern des viertägigen Treffens, das als asiatisches Gegenstück zum Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos gilt, sind auch Australiens Ministerpräsident Tony Abbott, Südkoreas Premier Chung Hong Won und Pakistans Nawaz Sharif.
Wachstumsziel relativiert
Angesichts schlechter Wirtschaftsdaten in China relativierte der Regierungschef das selbst gesteckte Wachstumsziel von «rund 7,5 Prozent» in diesem Jahr. Ob es «etwas mehr oder weniger» werde, sei nicht entscheidend, solange genug Arbeitsplätze geschaffen würden, sagte der Premier. 2013 waren das zweite Jahr in Folge 7,7 Prozent erreicht worden, so wenig wie seit den 90er Jahren nicht mehr. In diesem Jahr rechnen Experten nur noch mit weniger als 7,5 Prozent Wachstum – im Vergleich zu Europa viel, aber für ein Schwellenland wie China mit grossem Nachholbedarf wenig.
Als weiteres Zeichen für die Konjunkturschwäche fielen Chinas Exporte im März deutlich stärker als erwartet um 6,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Auch die Importe gingen um 11,3 Prozent zurück. Es gebe weiter Abwärtstrends, sagte der Premier. Der Aufschwung der chinesischen Wirtschaft stehe noch nicht auf festem Boden. «Die Schwierigkeiten in einigen Bereichen dürfen nicht unterschätzt werden.» China leide als grösste Handelsnation auch unter den Auswirkungen einer schwierigen globalen Lage.
«Gezielte und differenzierte Massnahmen» geplant
Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass sein Land das Wachstum «in einem angemessenen Rahmen halten kann». China sei eine grosse Wirtschaft mit hohen Devisenreserven und besitze grosse Widerstandsfähigkeit. Er plane «gezielte und differenzierte Massnahmen». Es gebe eine neue Runde von Reformen, mit der auch der Dienstleistungsbereich und die Kapitalmärkte weiter geöffnet würden. Die Umstrukturierung und Modernisierung der Industrie werde vorangetrieben.
Das Wachstum werde von den bereits wohlhabenden Küstenregionen in den rückständigen Westen verlagert. Dafür wolle China in neue Transportverbindungen investieren. Auch die Urbanisierung und die Verringerung der Kluft zwischen Stadt und Land werde neue Entwicklungschancen bieten, betonte Li Keqiang. Indem der Lebensstandard der Menschen gehoben werden, könne die heimische Nachfrage angekurbelt werden. (awp/mc/upd/ps)