Zweifel an Chinas Wachstumszahlen nehmen zu

China

(Foto: JohnKwan - Fotolia.com)

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Peking – Chinas Wirtschaft zieht wieder an. Das sagt das Statistikamt. Internationale Ökonomen sind skeptisch. Sie werfen China Manipulation von Wirtschaftsdaten vor.

Chinas Regierungschef Li Keqiang gibt sich gelassen. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen sprach er beim Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche von einer etwas besseren Wirtschaftsentwicklung. Eine Woche später erfährt die Weltöffentlichkeit, worauf Li seine Zuversicht stützt: Chinas Wirtschaft steht im zweiten Quartal mit 7,5 Prozent Wachstum besser als erwartet dar. Aber stimmt die Zahl überhaupt? Ökonomen äussern immer lauter Zweifel. «Es wird immer klarer, dass niemand weiss, wie gross Chinas Wirtschaft ist», warnt die US-Denkfabrik Stratfor.

China gilt als Lokomotive der Weltwirtschaft. Deshalb erhalten die Wachstumszahlen so grosse Aufmerksamkeit. Der Aufstieg zur Wirtschaftsmacht verlief in den vergangenen Jahren rasant.

Phantomprovinz
Grund, die statistischen Erhebungen der Volksrepublik mit Vorsicht zu betrachten, gibt es aber reichlich. So lag die Summe der Einzelwerte der Wirtschaftsleistung der Provinzen im vergangenen Jahr um 5,8 Billionen Yuan (rund 840 Milliarden Franken) höher als die Zahl, die die Zentralregierung für das ganze Land berechnet hat. Scherzhaft sprechen Ökonomen von einer «Phantomprovinz». Sie entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung Indonesiens. Für ihre Beförderung werden Provinzpolitiker zu einem grossen Teil daran gemessen, wie ihre Region wirtschaftlich da steht. Und da können ein paar Prozentpunkte mehr aus Sicht mancher Politiker offensichtlich nicht schaden.

Die Zentralregierung schätzte also vergangenes Jahr die Übertreibung der Provinzpolitiker auf diese beträchtliche Zahl von 5,8 Billionen Yuan. Ob sie in Wahrheit noch höher oder niedriger liegt, weiss niemand. Die gesamte Wirtschaftsleistung Chinas wurde nach Weltbankzahlen mit 9,2 Billionen Dollar, rund 57 Billionen Yuan, also fast das Zehnfache, berechnet.

Offizielle Zahlen massiv übertrieben?
Die Probleme mit Chinas offiziellen Statistiken gehen aber noch viel weiter, erklärt Ökonom Harry X. Wu. Für das Analyseunternehmen «The Conference Board» hat er sich Chinas Wachstumszahlen über 30 Jahre angeschaut und kommt zu einem verheerenden Ergebnis. Für ihn sind Chinas offizielle Zahlen massiv übertrieben. Die Industrieproduktion werde jedes Jahr zu hoch, aber die Inflation viel zu klein gerechnet.

Im Krisenjahr 2008 sei Chinas Wirtschaft beispielsweise nicht – wie offiziell bekanntgegeben – um 9,6 Prozent, sondern um 4,7 Prozent gewachsen, hat Wu ausgerechnet. Und im Jahr 2012 hätte das Wachstum statt der offiziellen 7,7 Prozent nur bei 4,1 Prozent gelegen. Nach Darstellung des Ökonomen rechnet China besonders die Auswirkungen internationaler Krisen auf seine Wirtschaft künstlich klein.

Risiko für Exporteure
Für die Exportwirtschaft westlicher Industriestaaten birgt das erhebliche Risiken. Sind die Wachstumszahlen nicht verlässlich, können sich Unternehmen nicht richtig auf die Lage in China einstellen.

Selbst Regierungschef Li Keqiang hatte die Zuverlässigkeit von Chinas Wachstumszahlen infrage gestellt, wie Wikileaks zufolge aus US-Dokumenten hervorgeht. Während seiner Zeit als Parteichef der Provinz Liaoning hatte er dem US-Botschafter anvertraut, die Wachstumszahlen seinen «von Menschenhand geschaffen» und nicht verlässlich, ist den Unterlagen zu entnehmen. Die Zahlen könnten allenfalls Tendenzen widerspiegeln.

Er schaue sich lieber den Energieverbrauch, das Frachtaufkommen oder die Kreditvergabe an, sagte Li demnach in dem Hintergrundgespräch vor sieben Jahren. Aber auch diese Hilfsbrücke sei mittlerweile wirkungslos geworden, schätzen Experten. Denn seit die Zentralregierung die Energieeffizienz steigern will, würden auch die Zahlen zum Energieverbrauch geschönt.

So oder so – Chinas Wirtschaft wächst
Trotz aller Kritik bleibt jedoch eines für die Ökonomen der US-Denkfabrik Stratfor klar: «Egal wie gross sie wirklich ist – Chinas Wirtschaft wächst.» Selbst wenn das Wachstum nur bei 4,1 Prozent liegen sollte, wäre es noch mehr als die meisten Staaten Europas aufweisen. (awp/mc/pg)

(awp/mc/pg)

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