Peking – Chinas Wirtschaft hat zu Beginn des Jahres das Wachstumstempo aus dem vierten Quartal 2018 gehalten und damit die Erwartung von Analysten übertroffen. Die zweitgrösste Volkswirtschaft legte in den Monaten Januar bis März um 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie das Statistikamt mitteilte. Experten hatten wegen der negativen Auswirkungen des Handelskrieges mit den USA für das erste Quartal ein etwas langsameres Wachstum von 6,3 Prozent erwartet.
Überraschend stark gewann Chinas Industrieproduktion an Fahrt. Im März legte die Fertigung in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt laut Regierungsangaben im Jahresvergleich um 6,5 Prozent zu. Analysten hatten nur einen Zuwachs um 5,6 Prozent erwartet. In den beiden ersten Monaten des Jahres war die Produktion nur um 5,3 Prozent im Jahresvergleich gestiegen und damit so schwach wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr. Wegen des chinesischen Neujahresfestes veröffentlichen die chinesischen Statistikbehörden Wirtschaftszahlen für Januar und Februar stets zusammen.
Höhere Umsätze im Einzelhandel
Etwas besser als erwartet entwickelten sich die Umsätze im chinesischen Einzelhandel. Diese legten im März im Jahresvergleich um 8,3 Prozent zu, nach 8,2 Prozent im Januar und Februar. «Die Daten zur Industrieproduktion und zu den Einzelhandelsumsätzen sind sehr erfreulich», kommentierte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. «Die Steuersenkungen der chinesischen Regierung scheinen also ihre positive Wirkung zu entfalten.»
Aussichten nicht schlecht
«Der Wirtschaft geht es besser», sagte die unabhängige chinesische Expertin Ye Tan. «Die Börse und der Immobilienmarkt entwickeln sich gut. Hinzu kommt die lockere Geldpolitik. All diese Massnahmen kurbeln den Konsum an.» Die Aussichten seien nicht schlecht: «Es gibt keine Anzeichen, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung dieses Jahr verschlechtert.»
Das Wachstum im ersten Quartal liegt im Rahmen der Vorgabe der Regierung mit 6,0 bis 6,5 Prozent für dieses Jahr, was gleichwohl so langsam ist wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Zuvor hatte es allerdings auch schon andere erfreuliche Wirtschaftsdaten gegeben, so dass der Währungsfonds (IWF) seine Vorhersage für China in diesem Jahr jüngst von 6,2 auf 6,3 Prozent nach oben korrigiert hatte.
Warnung der OECD
Die Organisation der Industrieländer (OECD) warnte jedoch, dass jüngste Konjunkturmassnahmen zwar kurzfristig das Wachstum in China voranbringen, aber langfristig die Bemühungen untergraben, die – auch für viele grosse OECD-Länder – hohe Schuldenlast zu reduzieren und strukturelle Verzerrungen zu korrigieren.
Seit dem vergangenem Jahr befinden sich die USA und China in einem Handelskonflikt. Die führenden Wirtschaftsmächte der Welt überzogen sich gegenseitig mit Sonderzöllen und bremsten damit die Weltwirtschaft insgesamt. Die USA wollen eine Verringerung des US-Handelsdefizits und fordern besseren Marktzugang, wirksameren Schutz gegen Produktpiraterie und zwangsweisen Technologietransfer. Auch stossen sich die USA an staatlicher Förderung chinesischer Firmen, was den Markt aus US-Sicht verzerrt.
An den Finanzmärkten hielten sich die Reaktionen auf die Konjunkturdaten aus China in Grenzen. Die asiatischen Börsen notierten kaum verändert. Der US-Dollar geriet als sicherer Anlagehafen zu anderen wichtigen Währungen leicht unter Druck. Die Ölpreise konnten am Vormittag etwas zulegen. (awp/mc/pg)