Peking – Chinas Wirtschaft hat die Corona-Krise weitgehend überwunden und ist mit einem Rekordwachstum ins neue Jahr gestartet. Wie das Pekinger Statistikamt am Freitag mitteilte, legte die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt in den ersten drei Monaten um 18,3 Prozent zu im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres.
Es handelt sich um den grössten Sprung seit Beginn der quartalsweisen Auswertung vor gut 30 Jahren. Der ungewöhnlich starke Zuwachs erklärt sich damit, dass die chinesische Wirtschaft im vergangenen Frühjahr wegen der Corona-Pandemie stark eingebrochen war. Damals kam das bevölkerungsreichste Land der Welt für mehrere Wochen beinahe komplett zum Stillstand.
Erfolgreiche «Null-Covid-Strategie»
Chinas Regierung verfolgte eine «Null-Covid-Strategie»: Ein rigoroser Lockdown und scharfe Einreisekontrollen führten dazu, dass – von kleineren lokalen Ausbrüchen abgesehen – bereits seit gut einem Jahr nur noch sehr wenige Corona-Fälle auftreten. Seitdem befindet sich die Wirtschaft auf Erholungskurs.
Industrieproduktion legt 24,5% zu
Einen starken Anstieg zeigte sich im März auch bei der Industrieproduktion, die im Jahresvergleich um 24,5 Prozent zulegte. Analysten hatten hier im Schnitt aber einen noch stärkeren Zuwachs um 26,5 Prozent erwartet. Ausserdem schwächte sich das Wachstum im Vergleich zum Vormonat ab. Im Februar war die Fertigung noch um 35,1 Prozent im Jahresvergleich gestiegen.
Der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, wies darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Erholung in China abkühle. Im direkten Quartalsvergleich sei die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten nur um 0,6 Prozent gestiegen. «Das ist der schwächste Zuwachs seit dem zweiten Quartal 2020 und merklich weniger als der Zuwachs im Schlussquartal 2020», sagte Gitzel.
Warnung vor Unsicherheiten und Instabilität
Generell habe sich im ersten Quartal eine «stabile Erholung» fortgesetzt, teilte Chinas Nationales Statistikamt am Freitag mit. «Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass sich die Covid-19-Pandemie immer noch weltweit ausbreitet», so die Behörde weiter, die vor grossen Unsicherheiten und möglicher Instabilität warnte.
Analyst Hao Zhou von der Commerzbank sprach ausserdem von einer «strukturellen Fragilität der Wirtschaft» und verwies auf die Spannungen zwischen China und den USA, die mittelfristig ein Risiko für die weitere konjunkturelle Entwicklung bleiben. Auch wegen der «schleppenden Produktivität» in den Unternehmen behält der Commerzbank weiter «eine allgemein vorsichtige Sicht auf China».
IWF erwartet Wachstum von 8,1 Prozent
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr um weitere 8,1 Prozent zulegen könnte. Die chinesische Regierung ist vorsichtiger und legte ihr offizielles Wachstumsziel auf dem Volkskongress auf «über 6 Prozent» fest.
Zuletzt half besonders ein starker Aussenhandel Chinas Wirtschaft auf die Sprünge. Chinas Fabriken liefen auf Hochtouren, um medizinische Güter wie Corona-Tests und Schutzmasken in alle Welt zu exportieren. Auch Laptops und andere Ausstattung für das Home Office kommen oft aus China. Die Industrieproduktion zog im ersten Quartal um 24,5 Prozent an.
Wie schon in der globalen Finanzkrise 2008 hilft China dabei, der Weltwirtschaft neuen Schwung zu verleihen. Deutsche Autobauer und auch viele andere Firmen, die auf dem chinesischen Markt agieren, konnten sich dort zuletzt über üppige Gewinne freuen.
Binnenkonsum zieht an
Gut entwickelte sich in den ersten drei Monaten auch der Binnenkonsum, der zuvor hinter der allgemeinen Erholung zurückgeblieben war. Die Einzelhandelsumsätze übertrafen die Erwartungen und stiegen im März um 34,2 Prozent. Etwas geringer fiel die Arbeitslosigkeit der städtischen Bevölkerung aus, die damit im März bei 5,3 Prozent lag.
China bemüht sich seit Jahren, den heimischen Konsum zu stärken, um so vor dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen mit den USA und Europa unabhängiger vom Aussenhandel zu werden. Auch im gerade verabschiedeten neuen Fünfjahresplan spielt dies eine Schlüsselrolle.
Der neue Wirtschaftskurs wird mit dem Schlagwort «zwei Kreisläufe» beschrieben. Die Strategie von Staats- und Parteichef Xi Jinping soll die «innere Zirkulation» fördern, also heimische Nachfrage und eigene Innovation. Der «äussere Kreislauf» – Handel und ausländische Investitionen – sollen diesen Hauptmotor unterstützen. (awp/mc/pg)