FIFA-Präsident Josef Blatter.
Zürich / Berlin – Um Joseph Blatter wird es in den letzten Monaten seiner skandalumtosten Dauerregentschaft immer einsamer. Auf den historisch einmaligen Vertrauensentzug von gleich vier wichtigen FIFA-Geldgebern aus Amerika reagierte der taumelnde Weltverbandsboss aber wie in den längst vergangenen Zeiten seiner absoluten Macht. Sofortiger Rücktritt? Nein! Ausgeschlossen!
«Herr Blatter widerspricht mit allem Respekt der Haltung und glaubt fest daran, dass ein Abschied aus dem Amt weder im Interesse der FIFA wäre, noch den Reformprozess voranbringen würde und wird daher nicht zurücktreten», hiess es in einer Erklärung der Anwälte des 79 Jahre alten Schweizers.
Zuvor hatten die Blatter auch in Krisenzeiten lange in Treue verbundenen Sponsoren Coca-Cola, McDonald’s, VISA und Anheuser-Busch für ein Novum gesorgt und innerhalb weniger Stunden in separaten Statements den unverzüglichen Rückzug Blatters gefordert – knapp drei Monate vor dessen angekündigtem Abschied beim Wahlkongress am 26. Februar. «Mit jedem Tag, der vergeht, werden das Bild und der Ruf der FIFA weiter befleckt», hiess es von Coca-Cola, dem langjährigsten FIFA-Geldgeber.
Eine Woche nach Eröffnung eines Strafverfahrens gegen den FIFA-Boss durch die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der «ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie – eventualiter – wegen Veruntreuung» wenden sich die amerikanischen Konzerne radikal von Blatter ab. Ob die Motivation – wie angegeben – moralischer Natur ist oder eher ein Selbstschutz angesichts der intensiven Ermittlungen der US-Justiz, ist Interpretationssache.
Adidas, Hyundai /Kia und Gazprom nicht bei konzertierter Aktion
Die weiteren FIFA-Sponsoren aus Deutschland (Adidas), Südkorea (Hyundai /Kia) und aus dem unverändert Blatter-freundlichen WM-Gastgeberland 2018 Russland (Gazprom) folgten der offenkundig konzertierten Aktion nicht. «Wie in der Vergangenheit mehrfach betont, müssen bei der FIFA im Sinne des Fussballs grundlegende Veränderungen durchgeführt werden. Daher muss der eingeleitete Reformprozess transparent und zügig fortgesetzt werden», sagte Adidas-Sprecher Oliver Brüggen.
Über die Macht des Geldes könnte Blatter unverzüglich zu stürzen sein, meinen die Kritiker des Schweizers. Im Finanzzyklus von 2011 bis 2014 machten die Marketingeinnahmen rund 1,6 Milliarden Dollar und damit 29 Prozent der Einnahmen aus. Der Sponsorenaufstand ist für die FIFA also durchaus ein Alarmzeichen. Zur Zeit gibt es ohnehin nur fünf statt der avisierten sechs bis acht Exklusivpartner der höchsten Sponsorkategorie.
2014 hatten sich die Fluglinie Emirates und der Elektronikkonzern Sony aus dem FIFA-Pool verabschiedet. Beide Unternehmen nannten ökonomische statt moralische Gründe für ihre Entscheidung. Im Juli hatte der mittlerweile wegen Korruptionsvorwürfen suspendierte FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke erklärt, dass bis zu einer Neuordnung der FIFA-Spitze neue Sponsorendeals unmöglich seien.
Dauerregent Blatter will unbedingt bis Ende Februar durchhalten – sonst könnte die komplette Zerschlagung des Fussball-Imperiums drohen. Nach den Statuten würde Vize Issa Hayatou übernehmen, dem diverse ethische Vergehen vorgeworfen werden und der als gesundheitlich angeschlagen gilt – oder der ebenfalls im Zwielicht der Macht stehende Spanier Angel Maria Villar Llona.
Auch Platini unter Druck
Dritter der durch die Statuten festgelegten Erbfolge wäre Michel Platini – der im Februar auf den Thron will, aber durch die jüngsten Justiz-Ermittlungen um eine Zahlung von zwei Millionen Franken durch Blatter ebenfalls um seinen Ruf kämpfen muss.
Laut Schweizer «Sonntagszeitung» war die seit 2002 fällige aber erst 2011 geleistete dubiose Vergütung an den Franzosen nicht von der FIFA verbucht, was den Straftatbestand der Bilanzfälschung zu den Vorwürfen addieren könnte. Zu denen gehört auch die Veräusserung von WM-TV-Rechten für die Karibik an Ex-FIFA-Vize Jack Warner für 600 000 Dollar und damit deutlich unter dem üblichen Marktpreis.
Aus der deutschen Politik wird weiter Blatter-Kritik geäussert – bis in Regierungskreise: «Jeder Tag, an dem #Blatter immer noch Präsident der #FIFA bleibt, ist ein schlechter Tag für den Fussball», hiess es am Samstag auf dem Twitter-Account des Justizministers Heiko Maas (SPD). Die FIFA-Ethikkommission, die mit Suspendierungen für das sofortige Aus von Blatter wie Platini sorgen könnte, äussert sich weiter nicht.
Die Nachfolge-Debatte läuft derweil unvermindert. Der frühere FIFA-Vorstand Franz Beckenbauer hält den Südafrikaner Tokyo Sexwale für einen geeigneten Kandidaten. «Als Vertrauter von Mandela kennt er sich auf dem politischen Parkett aus, sammelte bei der WM 2010 in Südafrika auch Fussball-Erfahrung. Vielleicht tut der FIFA ein Präsident, der von aussen kommt, ganz gut», sagte Beckenbauer der «Bild am Sonntag».
Sexwale war einst als Anti-Apartheid-Aktivist gemeinsam mit Nelson Mandela inhaftiert. Für die FIFA ist er Vorsitzender der Kommission zur Verbesserung der Fussball-Beziehungen zwischen Israel und Palästina. Er gilt als unbelastet in der Korruptionsaffäre.
Blatters Tochter Corinne Blatter Andenmatten, eine seiner letzten engen Vertrauten, zerstreute in einem Interview der Schweizer Zeitung «Blick» Gerüchte, ihr Vater wolle auch nach dem Kongress im Februar FIFA-Chef bleiben: «Nochmals: Nein, auf keinen Fall.» Vertrauen würde Blatter nur noch ihr und seiner Lebensgefährtin Linda, betonte Corinne Blatter Andenmatten: «Auf der Stufe, wo er sich bewegt, ist man immer allein.» (awp/mc/upd/ps)